Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)
ich …«
»Du kannst mich zur Beerdigung begleiten.«
»Das mache ich gerne.« Sie wirkte dankbar. »Sag mir nur früh genug Bescheid. Du weißt ja, wie das ist. Nicht, dass wieder was dazwischenkommt.«
Sie drehte sich zur Tür, doch dann zögerte sie. Offenbar fragte sie sich, ob es ihrem Vater wirklich so gut ging, wie er tat, und ob sie ihn hier allein zurücklassen konnte.
»Die Kinder«, sagte Carl. »Wir reden später.«
»Ja, natürlich. Mach’s gut, Vater.«
Und dann war sie verschwunden. Carl lehnte sich wieder in seinen Sessel zurück.
Siegfried. Wie mochte es seiner Frau jetzt gehen? Renate und er hatten eine gute Ehe geführt, in all den Jahren. Jetzt blieb sie allein zurück. War es das wert gewesen? Für das bisschen Genugtuung, Dinge gerächt zu haben, die keinen Lebenden mehr betrafen? Ach, Siegfried.
Carl war so schrecklich erschöpft. Er wollte sich ausruhen, ein wenig schlafen. Danach wäre immer noch genügend Zeit, in Ruhe von Siegfried Abschied zu nehmen.
Hambrock ließ seinen Wagen bei Schulte-Stein in der Auffahrt stehen und stieg bei Henrik Keller ein. Er schlug die Beifahrertür zu und schnupperte.
»Hat dir keiner gesagt, dass man im Dienstwagen nicht rauchen darf?«
Keller startete den Motor. »Ich hab nicht geraucht. Nur am offenen Fenster.«
»Der Typ im Fuhrpark wird dich umbringen.«
»Meine Güte, der soll sich nicht so anstellen!« Keller wurde laut. »Dann ist eben ein bisschen Rauch reingezogen. Denkt der, er muss den Wagen jetzt verschrotten? Morgen riecht man eh nichts mehr davon.«
»Ganz wie du meinst, Henrik. Aber in meinem Wagen wird nicht geraucht, nur damit das klar ist.«
Keller grunzte missmutig und fuhr vom Hof. Sie machten sich auf den Weg zu Renate Wüllenhues, der Ehefrau des toten Brandstifters.
Bei Schulte-Stein herrschte Entsetzen über die Tat. Keiner konnte sich erklären, weshalb Siegfried Wüllenhues den Hofherrn hätte umbringen wollen. Es hatte zwar immer wieder Streit gegeben zwischen den beiden Familien, sicher, aber das sei schon seit Generationen so. Und keine dieser Differenzen sei so schwerwiegend gewesen, dass sich damit ein Mord erklären ließ.
Eine Familienfehde also.
»Da vorne muss es sein«, sagte Hambrock. »Der kleine Hof auf der Anhöhe.«
Keller setzte den Blinker und fuhr auf den schmalen Weg, der am Feld entlang zu dem abgelegenen Hof führte.
Hambrocks Handy machte sich bemerkbar. Er zog es hervor und sah aufs Display. Es war seine Mutter. Sie meldete sich aus dem Krankenhaus. Er zögerte. War etwas passiert? Gab es vielleicht Neuigkeiten? Oder wollte sie nur ihre Ängste mit ihm teilen?
Das Klingeln wurde lauter. Hambrock sollte rangehen. Doch er konnte nicht. Nicht jetzt. Er drückte auf lautlos, und der Klingelton verstummte. Die Mailbox würde gleich anspringen. Seine Mutter wusste ja, dass er gerade arbeitete. Da konnte er oft Gespräche nicht entgegennehmen. Eine Besprechung. Oder eine Zeugenbefragung. Da war es ganz normal, keine Zeit zu haben.
Auf dem Hof empfing sie ein Hundebellen. Ein Schäferhundmischling kam aus der offenen Scheune gelaufen und sprang angriffslustig ums Auto herum. Keller parkte neben der Stallwand und wartete.
Keiner kam, um den Hund zurückzupfeifen. Im Haus blieb alles ruhig. Vorsichtig öffnete Keller die Fahrertür und redete auf den Hund ein. Und tatsächlich, schon bald ließ das Bellen nach, und ein Schwanzwedeln folgte. Keller trat hinaus auf den Hof.
»Sieh an, der Hundeflüsterer«, kommentierte Hambrock.
Sie gingen zum Wohnhaus und klingelten. Es dauerte, doch schließlich wurde ihnen geöffnet.
Eine Frau um die siebzig erschien. Weißes Haar, Kochschürze, Filzpantoffeln. Sie war leichenblass, hatte rot unterlaufene Augen und wirkte völlig benommen. Sie wusste Bescheid. Die Informationswege auf dem Land waren kurz.
»Sind Sie von der Polizei?« Sie trat zur Seite. »Kommen Sie herein.«
Keller murmelte etwas von Beileid und folgte ihr ins Innere. Hambrock schloss die Tür. Die Bewegungen der Frau waren langsam und schwerfällig, als könne sie sich kaum auf den Beinen halten. Er fühlte sich unwohl. Am liebsten wäre er gegangen.
»Möchten Sie einen Kaffee?«, fragte Renate Wüllenhues.
»Nein, danke«, meinte Keller. »Haben Sie jemanden, der sich um Sie kümmert?«
»Mein Sohn. Er ist bereits auf dem Weg hierher.«
Sie betraten das Wohnzimmer und setzten sich. Der Blick von Renate Wüllenhues blieb an einem alten abgewetzten Sessel hängen, der vorm
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