Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)
Keller.
»Ja. Vielleicht.«
Sie stiegen in den Wagen, und Keller startete den Motor.
»Siegfried Wüllenhues hatte ein starkes Motiv für den Mord. Vielleicht hatte er ja keine Tötungsabsicht gehabt, als er heute Morgen zu Alfons gegangen ist, und es ist zum Streit gekommen. Wüllenhues ist durchgedreht, dann Totschlag im Affekt, und um die Spuren zu verwischen, hat er die Werkstatt in Brand gesetzt.«
»Gut möglich«, meinte Hambrock. »Kannst du mich bitte zu meinem Auto bringen?«
Keller war überrascht. »Dann kommst du nicht mit zu Vornholte?«
Walther Vornholte war ein Nachbar und alter Freund von Siegfried Wüllenhues. Renate hatte ihnen versichert, er könne ihnen mehr über die Familienfehde berichten. Er war nämlich hier in der Bauernschaft aufgewachsen und kannte viele alte Geschichten, ganz im Gegensatz zu ihr, die erst mit Anfang zwanzig hergezogen war und sich nie sonderlich für diese Dinge interessiert hatte.
»Nein«, sagte Hambrock. »Ich fahre ins Präsidium. Dort wartet eine Menge Arbeit auf mich. Rede du allein mit dem Mann.«
Keller setzte ihn am Anwesen der Schulte-Steins ab und fuhr weiter. Hambrock schloss seinen Wagen auf. Er blickte auf die Uhr. Es gab nun keine Entschuldigung mehr. Keine Ausreden. Also machte er sich auf den Weg zum Krankenhaus.
Keller nahm den Schotterweg zu dem entlegenen Hof, wo Walther Vornholte lebte. Freitagnachmittag. Wenn alles gut lief und sich dieser Fall so entwickelte, wie es momentan aussah, würden sie wenigstens den Sonntag freibekommen. Dann wäre das Wochenende nicht ganz versaut. Seit seine Exfrau wieder liiert war – mit so einem schmierigen Anwalt aus Osnabrück –, war sie nicht mehr so zickig, wenn es um die Kinder ging. Die Untiefen seines Berufs, die nun mal nicht zu beeinflussen waren, fanden plötzlich Berücksichtigung. Wenn er in einer Mordermittlung steckte und das Wochenende durcharbeiten musste, blieben die Kinder einfach bei ihr, und er durfte die verpasste Zeit ein andermal nachholen. Meistens jedenfalls. Der Burgfriede, den sie geschlossen hatten, war immer noch brüchig.
Vielleicht könnte er am Sonntag mit den beiden in den Zoo gehen. Der Große fand das zwar inzwischen ein bisschen langweilig, denn er interessierte sich mehr für Autos und neuerdings sogar für Mädchen. Aber die Kleine war ganz verrückt nach Elefanten und Giraffen, ihr würde er damit einen Riesengefallen tun. Und sein Sohn brauchte ihn. Niklas tat zwar immer auf cool, wenn die beiden bei ihm waren, aber er genoss die Besuche, das spürte er genau. Der Junge würde keine Probleme machen, wenn Keller vorschlug, in den Zoo zu gehen.
Der kleine Hof der Vornholtes war zwar ziemlich heruntergekommen, aber er hatte etwas Idyllisches. Ein kleines Wohnhaus mit efeuumrankten Mauern, daneben eine winzige Scheune und ein Schweinestall, der in einem wackligen Fachwerkhäuschen untergebracht war.
Ein Mann mit einem Futtereimer trat aus der Scheune. Ein richtiger alter Bauer, mit Schirmmütze und Gummistiefeln und wettergegerbtem Gesicht.
Keller stellte den Motor ab. »Ich suche Walther Vornholte.«
»Der steht vor Ihnen.« Er stellte den Futtereimer ab und trat neugierig näher.
»Keller von der Kripo Münster. Ich komme wegen dem Tod von Siegfried Wüllenhues.«
»Ja, Gott hab ihn selig.«
»Sie kannten ihn, richtig?«
»Mehr als das. Siegfried war ein Freund. Wir kannten uns seit Kindertagen. Über siebzig Jahre. Das prägt.«
Keller nickte. In der Scheune entdeckte er einen kleinen grünen Traktor. Der hätte auch im Museum stehen können. Ob der überhaupt noch lief?
»Arbeiten Sie noch richtig auf dem Hof?«
»Nein. Ich bin Pensionär. Der Hof war immer nur ein Hobby. Ein paar Schweine, ein paar Hühner und ein kleiner Acker.«
»Verstehe. Wirft nicht viel ab, oder?«
»Es gab Jahre, da habe ich draufgezahlt. Ich habe in Düstermühle gearbeitet. Bei der Stadtverwaltung. Aber das war alles im letzten Jahrtausend.«
»Sie sagen, Sie waren mit Siegfried Wüllenhues befreundet.«
»Richtig.«
»Was wollte er dort, bei Alfons Schulte-Stein? Hat er ihn vorsätzlich ermordet?«
Walther Vornholte antwortete nicht sofort. Tiefe Sorgenfalten legten sich in sein Gesicht.
»Das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Hat er Ihnen von seinen Plänen erzählt, zu Schulte-Stein zu gehen? Mit einem Benzinkanister unterm Arm?«
»Nein. Davon wusste ich nichts.«
Er log. Keller war sich ganz sicher. »Bitte denken Sie nach. Was für einen Grund könnte er
Weitere Kostenlose Bücher