Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)
Fernseher stand. An der Art, wie sich ihr Gesicht veränderte, erkannte Hambrock, dass dies der Stammplatz ihres Mannes gewesen sein musste.
»Frau Wüllenhues, können Sie sich erklären, was heute Morgen passiert ist?«, fragte er.
»Sie meinen …?«
Er nickte. »Weshalb Ihr Ehemann die Werkstatt von Alfons Schulte-Stein in Brand gesetzt hat. Wir haben eine Leiche in der Ruine gefunden. Vermutlich handelt es sich um Alfons.«
Seine Stimme klang härter als beabsichtigt. Keller warf ihm einen interessierten Blick zu.
Renate Wüllenhues kämpfte sichtlich um Fassung.
»Nein. Ich habe keine Erklärung dafür.«
»Es hat Streit gegeben zwischen Ihnen und der Familie Schulte-Stein«, stellte Hambrock fest.
»Schon. Aber deshalb geht man doch nicht hin und … Wissen Sie, die Familien lagen schon immer im Streit, lange vor meiner Zeit. Wir haben im Sommer sechsundsechzig geheiratet, und da war es schon so. Das geht seit Generationen. Irgendwann muss mal was vorgefallen sein, aber wahrscheinlich weiß keiner mehr, was es war.«
»Sie reden, als wären Sie nicht beteiligt.«
»Ich stamme aus Düstermühle, direkt aus dem Ort, nicht aus der Bauernschaft. Siegfried hat mir nie erzählt, was der Grund für die Feindschaft zwischen den Familien hier draußen war, und ich wollte es auch gar nicht wissen. Sie mochten sich ganz einfach nicht.«
»Wie es aussieht, ist der Streit heute eskaliert«, sagte Hambrock.
»Nein. Das kann nicht sein.«
»Wie erklären Sie sich sonst, was geschehen ist?«
»Siegfried hat immer versucht, sich rauszuhalten. Sein Bruder Georg, der am Ortsrand lebt und dessen Ländereien an die von Schulte-Stein grenzen, der war da ganz anders. Georg hat die offene Auseinandersetzung gesucht. Vor der Flurreform gab es Ärger um den Grenzverlauf, und da wurde ständig über Grenzsteine hinweggepflügt. Und als das geklärt war, gab es neuen Streit. Anzeigen wegen illegal gerodeter Hecken und nicht genehmigter Feuer. Irgendwas fiel den beiden immer ein. Georg und Alfons waren wie Hund und Katze. Da war immer was los.«
»Aber Ihr Mann hat sich da rausgehalten, sagen Sie.«
»Weitestgehend. Er hat immer gesagt, das bringt doch alles nichts.«
»Das heißt also, Ihr Mann und Alfons Schulte-Stein sind nie ernsthaft aneinandergeraten?«
Sie senkte den Blick.
»Frau Wüllenhues, bitte.«
»Na ja. Vor ein paar Jahren gab es Probleme, als Siegfried in den Ruhestand gegangen ist. Unser Sohn hat einen guten Job in Münster, er arbeitet im Management einer Produktionsfirma, und der Hof ist ja auch viel zu klein. Er wirft kaum etwas ab. Es wäre Unsinn gewesen zu erwarten, dass Bodo die Landwirtschaft übernimmt.« Sie seufzte. »Wir haben das Vieh verkauft und die Ländereien verpachtet. Alfons Schulte-Stein wollte einen Teil unserer Länder pachten. Wir haben nämlich vierzig Morgen Land direkt neben seinem Hof. Drum herum ist alles in seinem Besitz, nur diese vierzig Morgen liegen da wie eine Insel im Meer. Da ist es ja kein Wunder, dass er dieses Land bewirtschaften wollte. Aber Siegfried hat abgelehnt. Er hat sich ganz einfach geweigert. Ich habe nie den Streit gesucht, hat er gesagt. Aber ich werde diesem Hund keinen Gefallen tun. So weit kommt es nicht.«
»Und wie hat Alfons Schulte-Stein darauf reagiert?«, fragte Hambrock.
»Wie er reagiert hat?« Sie stand auf, ging zum Fenster und schob die Gardine zur Seite. »Sehen Sie das dort drüben an dem Wäldchen? Er hat uns eine Biogasanlage vor die Nase gesetzt.« Tatsächlich. Hambrock erkannte die runden bauchigen Gebäude, die hinter ein paar Büschen verborgen waren.
»Wenn der Wind von Westen kommt«, sagte Renate Wüllenhues, »zieht der Gestank zu uns herüber. Am schlimmsten ist es, wenn sie Hühnerdung und Industriefette verarbeiten. Dann können wir hier kaum noch das Haus verlassen.«
»Hat Ihr Mann Ihnen denn nicht gesagt, dass er heute zu Alfons Schulte-Stein wollte?«, fragte Keller.
Sie war verwirrt. »Nein. Er … er war nicht da, als ich heute Morgen aufgewacht bin. Ich habe mir Sorgen gemacht.«
»Kam so was häufiger vor?«
»Nein, nie. Er hat immer gesagt, wohin er ging. Zumindest einen Zettel hat er hingelegt. Und er ist sonst auch nie vor sieben aufgestanden. Er war ein Langschläfer. Ich verstehe das alles gar nicht.«
Draußen auf dem Hof atmete Hambrock die kalte Winterluft ein. Es tat gut, dieses Haus zu verlassen, mit seiner Trauer und Einsamkeit.
»Der Fall scheint ziemlich klar zu sein«, meinte
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