Duft des Mörders
Name ließ sie im Geiste zu ihrer Zeit an der New Yorker Universität zurückkehren, wo sie Adam und Frank kennen lernte. Sie war damals neunzehn und Studentin der schönen Künste, und die beiden Männer studierten im zweiten Jahr Jura. Sie waren so verschieden wie Tag und Nacht: Frank – der Unberechenbare, der Unkonventionelle, der immer den Nervenkitzel suchte; Adam – zuverlässig und zielstrebig. So wie Jenna plante er seine Zukunft, und sein Ziel war es, eines Tages Senator zu werden, vielleicht sogar Präsident.
Sie waren ein sonderbares Trio, das durch eine enge Freundschaft miteinander verbunden war. Doch gut ein halbes Jahr, bevor Frank und Adam ihr Jurastudium abschlossen, wandelten sich die Gefühle der beiden jungen Männer gegenüber Jenna von brüderlicher Liebe zu etwas weitaus Komplizierterem.
Jenna fühlte sich geschmeichelt, gleich von zwei attraktiven Männern umworben zu werden und mit ihnen zu flirten. Irgendwie genoss sie sogar die wachsende Rivalität zwischen den beiden besten Freunden. Auf dem Campus wurden schon bald Wetten abgeschlossen, wer von ihnen letztendlich ihre Liebe gewinnen würde.
Doch Jenna fühlte sich zu sehr zu beiden hingezogen, sodass sie nicht entscheiden konnte, mit wem von ihnen sie den Rest ihres Lebens verbringen wollte – mit dem disziplinierten, methodisch vorgehenden Karrieremann oder mit dem Rebellen.
Am Ende fiel ihre Entscheidung aber zu Gunsten von Adam, möglicherweise weil er etwas hartnäckiger um sie warb, während es ihr so vorkam, als sei Frank dieses Spiels überdrüssig geworden.
Ohne ein klares Ziel vor Augen zog Frank kurz darauf von New York nach Richmond in Virginia und ließ nie wieder von sich hören. Die Einladung zur Hochzeit kam mit dem Hinweis „Unbekannt verzogen“ zurück. Jenna rief daraufhin Franks Mutter an und erfuhr, dass es Frank gut ginge und er für eine angesehene Anwaltskanzlei in Richmond arbeite. Da er offensichtlich einfach keinen Kontakt mehr zu Adam und Jenna wollte, ließen auch sie ihn in Ruhe.
Und jetzt, nach fünfzehn Jahren Schweigen, war Frank zurück in der Stadt. Einfach so, ohne anzurufen, ohne zu sagen: „Hallo, da bin ich wieder. Wir sollten uns mal treffen.“ Nichts, kein Wort.
„Frank ist Privatdetektiv?“ brachte sie schließlich heraus. „Hier in New York?“
„Er ist vor knapp zwei Jahren wieder hergezogen und hat im East Village eine Detektei eröffnet.“
„Wie hast du davon erfahren?“
„Ich bin vor ein paar Wochen einem alten Studienkollegen begegnet. Du kennst ihn – Mick Falco. Er ist jetzt Strafverteidiger, und offenbar ist er mit Frank in Kontakt geblieben.“
„Aber warum ist Frank Privatdetektiv geworden? Wieso arbeitet er nicht als Anwalt?“
Adam zuckte mit den Schultern. „Du kennst doch Frank. Er macht immer das, womit niemand rechnet.“
Jenna gingen noch viel mehr Fragen durch den Kopf, die alle Frank betrafen. Fragen, die sie jedoch nicht aussprach. Ihn kümmerte nicht, was mit ihr war, warum sollte sie sich für ihn interessieren? „Wenn er als Privatdetektiv so gut ist“, sagte sie ein wenig spitz, „warum hat er dann nicht den Beweis erbringen können, den du brauchst?“
Wieder wich Adam ihrem Blick aus. Warum bloß? Was verheimlichte er? „Eine solche Ermittlung braucht ihre Zeit“, antwortete er. „Das ist der Grund, weshalb ich mich an dich wende. Du könntest das Ganze erheblich beschleunigen.“
Sie bemerkte, dass er durch das beschlagene Fenster nach draußen sah. Als sie seinem Blick folgte, entdeckte sie den Bettler, der sie vor Siri’s Gallery angerempelt hatte. Er stand da und drückte sich an der Scheibe die Nase platt. Jenna war nicht sicher, ob er sie oder das Essen auf ihren Tellern anstarrte. Ein Obdachloser, der auf der Suche nach etwas zu essen war, dachte sie und wurde mit einem Mal traurig. Die Stadt war voll von solchen Menschen.
„Ist das nicht der Mann von vorhin?“ fragte sie Adam.
„Ich glaube, ja.“ Adam gab der Bedienung ein Zeichen, damit sie Kaffee nachschenkte. „Achte nicht auf ihn, er wird schon von selbst verschwinden.“ Als seine Tasse wieder randvoll war, kam er erneut auf sein Anliegen zu sprechen. „Wie sieht es mit diesen Fotos aus, Jenna? Wenn ich jetzt mit dir ins Studio fahre, dann kann ich dich anschließend …“
Sie schüttelte energisch den Kopf. „Nein, Adam. Nicht heute Abend. Ich muss darüber nachdenken.“
„Was gibt es da nachzudenken? Entweder du hilfst mir oder du hilfst mir nicht“,
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