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Duftspur

Duftspur

Titel: Duftspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sinje Beck
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Schlagabtausch.
    Wer sendet mir so was? Staatsmacht? Er gibt mir den Umschlag, ich unterschreibe die Empfangsbestätigung. Wir wünschen uns noch einen schönen Tag und ich schlurfe in die Wohnung zurück. Mein Vermieter. Warum schreibt der mir, der kann doch mit mir reden. Ich werfe einen Blick auf den Teppich. Der ist trocken, kein Wasserschaden. Normalerweise benötige ich einen halben Tag, um mich von Träumen, in denen mich das Übel plagt, zu erholen. Im Grunde bin ich noch nicht aufnahmefähig für ein Einschreiben. Erst mal einen Kaffee. Ich sitze am Küchentisch und wende den Brief in der Hand, so wie es manchmal alte Leute tun, denen etwas geschieht, was ihnen in ihrem Einerleialltag nie passiert. Sie dehnen das Erlebnis aus, machen einen Akt draus. Nur nichts übereilen. Wo habe ich eigentlich rumgegraben? Die Gegend kam mir irgendwie bekannt vor. Ich komm nicht drauf.
     

9
     
    Der Kaffee ist durch. Das wird quasi mein letzter sein in diesen Wänden, erfahre ich aus dem Brief: Kündigung wegen Eigenbedarf. Kneif mich mal einer. Ist noch einer da, höre ich die Sportlehrerin aus alten Tagen in die Umkleide rufen. Keiner, nur Heiner, rufen einige Kinder zurück, die mir meine Klamotten oben um die Duschköpfe gewickelt haben und die zwangsläufig anschließend braddelnass waren. Begossen fühle ich mich jetzt auch. Wenn ich nicht wüsste, dass Mord für mich keine Alternative ist, könnte ich grad mal. Dämlicher Horst! Feiges Gesicht. Vorgestern erst fragte er scheinheilig wie es mir denn ginge, arbeitsmäßig und so. Scheiße, Entschuldigung, mir geht es scheiße. Arbeitslos, wohnungslos, aber nicht aggressionslos. Und bitte, werde nicht mutlos, das ist klein Heiner in mir, der mich anfleht, nicht den Kopf in den Sand zu stecken. Immerhin hast du noch einen Aushilfsjob. Also bist du noch nicht alles los. Das stimmt. Halte dich an das, was du hast, nicht an das, was fehlt! Ich umklammre den heißen Pott Kaffee. Hunger hätte ich. Nein, das gilt nicht, mal ernsthaft. Okay, Bestandsaufnahme unter der Dusche. Wenn ich mich schon begossen fühle, kann ich auch gleich duschen. Was habe ich? Ich habe mich, einen gesunden Mittvierziger. Du könntest deine Haare einem Perücken- oder Pinselmacher verkaufen, gehe ich mit mir in den Dialog. Wir sind doch nicht in Asien und wer will schon einen gräulichen Haarersatz. Gestorben. Du hast ein Auto, das könntest du auch verscherbeln. Nee, kommt nicht in Frage. Gestorben. Du verkaufst die Wohnungseinrichtung, schnürst dein Bündel und wanderst durch die Welt, wolltest doch immer schon mal was Neues entdecken, hmmm, nee, da bin ich noch nicht bereit zu. Vertagt. Du könntest endlich deine Carrerabahnen nebst Zubehör verkaufen, erinnere dich, das hattest du schon mal vor. Jetzt wäre ein sehr geeigneter Moment. Vorschlag zähneknirschend angenommen, auch wenn’s weh tut. Werd erwachsen, raunzt der Verantwortungsträger in mir. Noch mal zurück zur Wohnungseinrichtung, ich schäume mir den Kopf ein, die Elektrogeräte sind das einzige, was ich verkaufen kann. Der Kühlschrank ist noch aus der Ehe, mit eingebautem Dreisterne-Tiefkühlfach, eisige Stimmung inklusive. Für das Kücheninterieur soll Immobilienbesitzer Horst was hinlegen, das kannst du guten Gewissens verlangen. Akzeptiert. Gleich bei Rudi krallst du dir die Tageszeitung und studierst neben den Stellenanzeigen auch die Wohnungsangebote. Wer nimmt mich denn als Mieter? Darum geht es nicht, du musst was tun. Verfalle nicht jetzt schon in Lethargie, kannst du später immer noch. Es bleibt ein bisschen Zeit und die Möglichkeit zu klagen. Stimmt. Shampoo abspülen. Ich schrubbe mir den vergangenen und den laufenden Albtraum vom Körper. Cool and Fresh, steht auf dem Duschzeug. Und die Haare, die lässt du im Abguss, ist jetzt nicht mehr dein Problem. Jau. Die beginnende Rohrverstopfung der Dusche muss mich nicht mehr kümmern. Es will sich fast so was wie gute Laune einstellen.
     
    Ab ins Internet, dort liegt das Geld auf den Festplatten. Ich finde einen Sammler, der Carrerabahnen aufkauft. Besser en bloc, als alles einzeln zu Geld machen. Zwei, drei E-Mails später bin ich alle Teile los, herrje, eine halbe Kindheit für 330 Euro, verkauft. Die Nachfrage bestimmt jetzt den Preis. Der Mann kommt aus Herborn-Sinn und will sie sofort abholen. Das ging fix. Fast so schnell wie über die Datenautobahn ist er über die A 45. Sinn, sinniere ich noch, gibt mir das Gefühl, dass es irgendeinen Sinn macht, mein

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