Duftspur
ihn verschnupft aussehen lässt. Alfons scheint wirklich Stress zu haben derzeit. Ich würde ihm gerne Arbeit abnehmen, wenn ich könnte. Annegret drückt mich noch mal zum Abschied und neben dem klebrigen Honig von eben wird ein frischer Schokoladenabdruck meine Backe zieren.
»Nich abwaschen, versprochen?« Ich nicke abermals und begleite Annegret noch zur Tür, die in ihren Trakt führt.
»Jetzt aber schnell!«
7
Die Sonne scheint, der Tank ist noch ausreichend gefüllt, der Vermietersohn hat so geparkt, dass ich mein Auto auch noch vorm Haus abstellen kann, eigentlich steht einem gemütlichen Krimiabend nichts im Wege. Ach Mist, die Glotze ist mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit immer noch kaputt. Vor der Tür meiner kleinen Dachwohnung steht schon der Nachbar samt tragbarem Fernsehgerät, aber nicht mein Gerät. Der Kasten zählt mindestens schon 25 Jahre und wenn man den Staub entfernt, erhöht das die Chance auf ein farbiges Bild.
»Ist zwar nur schwarz-weiß, aber funktioniert besser wie dein Alter, Alter«, der Nachbar verzieht den Mund zu einem lückenhaften Grinsen. Nein, ich will gar nicht wissen, was er mit meinem Fernseher angestellt hat.
»Also, echt ey, da war nichts mehr zu machen. Kalte Lötstelle, hoffnungslos. Der Fehler muss schon drin gewesen sein. Du hattest bestimmt immer schon so ein rötliches Bild«, ich nicke, denn das mit dem Rot weiß er von mir, »daran kannst du es erkennen.«
»Wo ist das Gerät jetzt?«
»Bei mir unten. Ich hab das nicht verhökert, aber, wenn ich ehrlich bin ... also, ich kriege es nicht mehr zusammen, da ist mir beim Gehäuse so eine Nase abgebrochen.« Kalte Lötstelle, tz. Würde es sich lohnen ihm die Nase zu brechen? Ich schließe die Wohnungstür auf, er stemmt den alten Kasten und stellt ihn auf die umgedrehte Bierkiste, die als Fernsehsockel dient. Mit wenigen Handgriffen hat er das Gerät angeschlossen und tatsächlich, es funktioniert. Er schickt sich an, sich häuslich niederzulassen, doch seine ausdauernde Präsenz verkrafte ich heute nicht.
»Danke, Schorsch«, sage ich freundlich und dränge ihn hinaus.
»Geliehen«, bemüht er sich noch schnell zu sagen, reibt sich eifrig die Hände an der speckigen Jacke, ganz so, als hätte er sie sich zuvor durch reichliche Arbeit beschmutzt. Ich gucke jetzt ein bisschen weniger freundlich.
»Ach was, behalte ihn solange du willst«, dabei setzt er sein Gönner-Gesicht auf. Ich starre ihn nur noch an und mein Blick schickt ihn rückwärts zur Tür hinaus. Bevor ich sie schließe, reiche ich ihm seine Biertüte.
»Schönen Abend dann noch«, murmelt Schorsch und guckt wie ein geprügelter Hund. Die Gestaltung seines Abends ist jetzt alleine sein Bier, heute nicht mit mir.
Ich trinke ja nur noch Alkoholfreies. Meist das abgelaufene aus der Tanke. Bier mit Umdrehungen läuft nicht ab in Rudis Shop. Schorsch bringt sich sein Stöffchen immer selbst mit, gutes Hansa, wie er immer sagt. Doch seine blauen Stunden bei mir muss er sich jetzt für eine ganze Weile abschminken. Ich weiß eh nicht, wie ich ihn weiter mit dieser Regelmäßigkeit aushalten kann. Er wohnt erst seit drei Wochen im Nachbarhaus und bereits nach drei Tagen kannte ich seine komplette Lebensgeschichte bis ins zehnte Glied. Schlesier, Spanier, Franzosen und Russen seien in ihm vereinigt. Anfangs waren seine Geschichten ja auch noch interessant, doch dann begannen ähnlich wie im Fernsehen die Wiederholungen und die Leier davon, wer ihm alles was schuldig ist. Das Land und die Politiker, die Fremdenlegion, bis hin zur Ex und den eigenen Kindern, die nichts mehr von ihm wissen wollen. Schnaps, Rebensaft, Wodka, Bier und Spaßgetränke sind heute in ihm vereinigt. Irgendwie ein armer Hund, habe ich mir anfangs voller Mitleid gedacht. Die Kälte, wie er es sagte, die ihm überall in diesem Land entgegenschlug, nur weil er gerade auf der Schattenseite des Lebens parkte. Da konnte ich ihm nicht die Tür vor der warmen Stube zuschlagen. Bis gestern. Heute kann ich. Gestern schon stellte sich heraus, dass Schorschs andauerndes Bad im Selbstmitleid meinen Teppich durchtränken würde, um sich dann den Weg in die untere Wohnung zu bahnen und ich bin nicht versichert gegen Abwasserschäden. Er hatte seine Chance bei mir, die Sache mit dem Fernsehapparat, und er hat sie vermasselt. Jetzt will ich nur noch meine Ruhe. Pass auf, dass du heute Abend nicht selbst den Teppich einnässt, das war meine Schwester in ihrer schnippischen Art,
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