Duftspur
unerwartete Freude, auf dem Grundstück im Liebenscheider Wald steht sogar ein Dixi, ja, und eine Quelle gibt es auch und wenn ich schon mal da bin, könnte ich doch den Bauwagen ein wenig sanieren, so dass er wieder transportfähig wird und wenn ich dann noch Zeit habe, könnte ich das Grundstück, es seien nur dreizehn Hektar, ein bisschen herrichten, mähen, Bäume fällen, Fischteich abdichten und so. Die Straßenunebenheiten und der zu weich gefederte Sitz lassen mich zu all dem mit dem Kopf vornüber wackeln.
»Was dagegen, wenn ich jetzt Feierabend mache?«, frage ich Rudi nachdem wir die Unfallfahrzeuge abgeladen haben. Der Chef winkt zum Abschied und ich rufe: »Bis Morgen dann und vielen Dank auch.« Wofür bedanke ich mich eigentlich immer. Ein Bauwagen. ›Ach du liebe Zeit‹ würde Bille jetzt rufen, sich die Hände theatralisch vors Gesicht schlagend, die Augen ungläubig aufreißend, wie früher die Darsteller in den alten Schwarzweißfilmen. Das wär’s doch noch ... statt bis zum Ende der Kündigungsfrist Miete abzudrücken, ziehe ich zwei Monate früher aus und Horst kann in die Röhre gucken. Jawohl, so mache ich das! Die Sache mit dem Bauwagen beginnt mir zu gefallen. ›Here I am, rock you like a hurricane‹, schallt Klaus Meine aus den mickrigen Boxen.
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Schweißtreibende Arbeiten habe ich am Hals und unter den Achseln. Am Hals hängt mir die Achse des Bauwagens, den ich ein wenig anzuheben versuche, damit Schrauberklaus einen Keil unter den Stützfuß stecken kann, um besser drunter schweißen zu können. Unter den Achseln klemmen mir Wattepads, die ich täglich an ein Labor im Saarland schicke, die dann meine Transpirationsergebnisse untersuchen. Ich habe auf eine Kleinanzeige reagiert, gesucht waren innovative Menschen, die nebenbei Geld verdienen wollen. Jetzt bin ich ein Versuchskaninchen, um mich nicht als Laborratte zu betiteln. Im Dienste der Wissenschaft teste ich die Wirkungsweise diverser Zusatzstoffe in Deodorants. Pheromone spielen da eine wesentliche Rolle. Bislang habe ich mir nur den Begriff gemerkt, aber mich noch nicht schlau gemacht, das sollte ich unbedingt nachholen. Den Stapel Kleingedrucktes habe ich zwar unterzeichnet, aber noch nicht alles gelesen. Als ich etwas von natürlichen Essenzen las, war ich soweit beruhigt, dass ich mit der Testreihe schon mal begonnen habe. Ich bin also quasi Doppelverdiener, wenngleich ich nicht wirklich viel davon habe. Die letzte Miete ist gezahlt, die Wohnung geräumt. Der Anblick von Horsts dämlichem Gesicht bei meinem Auszug war’s wert, das feste Dach früher aufzugeben als die Kündigung vorsah. Meine zukünftige Bleibe muss ich mir als Sanierer verdienen und Brot sowie Butter kann ich mir erschwitzen. Meine Job-Sprotte hatte keinerlei Ideen, wie es jetzt mit meiner Karriere von Amtswegen weitergehen kann, dafür freute sich die persönliche Arbeitsberaterin, genannt Pab, dass sie im vergangenen Monat einen Aushilfsjob als Muffenpuffer vermitteln konnte. Es ginge sicherlich aufwärts, sagte sie. Nur nicht mit mir, denn meine Daten sind durch eine Systemumstellung gelöscht worden und nun muss ich mit einer Verzögerung der Auszahlung rechnen. Meine künftigen Rechenoperationen werden sich also sämtlich im Minusbereich bewegen und das, obwohl ich demnächst eigentlich hätte schuldenfrei sein sollen, da die letzte Rate von Maries Ledersofa beglichen ist. Welch Glück, dass ich ab nächsten Monat halbwegs obdachlos bin, das spart eine Menge Fixkosten. Mein Engagement als Testperson verbietet mir Lauchartiges und Zwiebeln zu essen. Pizza und andere Fertigprodukte aus der Truhe sind demzufolge tabu, macht aber nichts, gefroren schmecken die eh nicht, denn ich habe ja keinen Ofen mehr. Telefon kann ich auch abmelden und GEZ ebenso. Den Computer habe ich Rudi versprochen. Seine Tanke wird mein Tor zur Welt werden, mein Büro, das Headquarter sozusagen. Residieren werde ich im Wagen. Der moderne Wanderarbeiter. Flexibler und mobiler geht’s kaum. ›Country road, take me home, to the place I belong … Westvirgina …‹ stimmt John Denver in mir an.
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Bislang sind die Dufttests noch relativ geruchsneutral. Auf den Extrakten steht nie eine Bezeichnung, damit man sich nicht darüber informieren kann und sich entsprechende Wirkungen einbildet. Meine Umwelt jedenfalls hat noch nicht anders auf mich reagiert als sonst, wenn man Schrauberklaus, ein zotteliges Wesen mit Motoröl in den Adern und einem Zweitakter in
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