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Duftspur

Duftspur

Titel: Duftspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sinje Beck
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verlockenden, klebrigen Deckenhänger, die Anfälligkeit sich zu verlieben. Schlimmstenfalls ergeht es einem bis zum Ende so. Nein Mann, das will ich mir nicht vorstellen. Außen verdorrt und verschrumpelt und innen begierig, hitzig wie ein Gigolo, durstig nach prallem Leben, festem Fleisch. Welch Ungleichgewicht. Und alle würden es sehen, nur du selbst hieltest dich weiterhin für den unwiderstehlichen Frauenbeglücker. Wird Mann denn nie klüger?
     

4
     
    Irgendwie hat mich die Begegnung mit dem leicht wuschigen Alfons zerstreut. So stehe ich da auf dem Flur, die junge polnische Putzfrau mit ihren eingewachsenen MP3-Player-Stöpseln in den Ohren rempelt mir rückwärtig den Schrubberstiel ins Kreuz, ich habe sie gar nicht kommen hören, erschrocken blicken wir uns an. Dem Schreck folgt ein zaghaftes Lächeln auf beiden Seiten. Ihr Blick aus smaragd-grünen Augen bringt mich zu dem zurück, was ich tun wollte: Katzenfutter kaufen. Der Himmel hat eine Entscheidung getroffen. Es regnet schnurgerade auf die Erde herab. Die dicken Tropfen platschen auf den Teer, um als kleinere Spritzer wieder hoch zu springen. Ich muss zum Auto rennen, um nicht klatschnass zu werden.
    In der Einrichtung sind Haustiere verboten, daher Annegrets und meine Geheimhaltung bezüglich der alleinerziehenden Katzenmutter. Jetzt muss ich mich sputen, denn der Laden macht gleich zu. Irgendwie blicke ich eh nicht durch mit den gemischten Öffnungszeiten in den Randbezirken. Mitten in Siegen ist das einfacher. Ich lebe auf dem Land, daher ist mir auch mein Auto von elementarer Bedeutung. Frau oder Auto, die Frage könnte ich aus dem Stehgreif beantworten. Oft fahre ich Fahrrad, nicht nur weil ich es gerne tue, ich muss, denn das Tanken ist mitt-lerweile für mich zu einer Art Event geworden, eines von sportlicher Natur. Ich tanke immer auf den Cent genau für 18,88. Der Preis ist überschaubar und mehr kann ich meist nicht abknapsen. Manchmal, wenn Rudi seinen sozialen Tag hat und eine Fuhre für den Schrottplatz, dann darf ich mir das Benzin aus den Wracks absaugen. Aber ›Psst‹ sagt er dann immer. Als wenn ich das rumerzählen würde. Beim ersten Mal habe ich eine volle Ladung Super in den Hals bekommen. Für meine Lebenshaltungskosten war der Tag auch super. Bleifrei wirkt appetitzügelnd. Abgelaufene Fishermanns gab es stattdessen zu essen.
     
    An der Aldi-Kasse wundere ich mich erneut, wie es manchen Menschen gelingt, ihren Job nicht zu verlieren. Die Kassiererin ist dermaßen unfreundlich. Sie staucht vor mir eine junge Mutter mit ihrem Kind zusammen, weil sich das schätzungsweise vierjährige Mädchen erdreistet hat, beim Einräumen des Wagens behilflich sein zu wollen mit dem Ergebnis, dass ein Päckchen Buchstabennudeln neben dem Wagen landete und aufplatzte, da das Einkaufsvehikel nicht in der vorgezeichneten Position stand. Platzen könnte ich auch vor Wut darüber, wie die Person an der Kasse das Kind anherrscht und anschließend eine Auszubildende anblökt, sie solle nicht so dumm rumstehen und eine Kehrschaufel holen. Solange es in Deutschland noch keine Mordanschläge auf Supermarktkassiererinnen gibt, solange kann man für die Welt noch hoffen. Das Gros der Spezies Mensch kann also nicht so schlecht sein. Ich überlege mir eine Freundlichkeits-attacke für den Drachen, da ich gar keinen Wagen genommen habe, mir fehlte die entsprechende Münze und außerdem wollte ich ja nur das Katzenfutter.
    »Einen wunderschönen guten Abend«, lenke ich ihren mürrischen Blick von der Lücke am vorgeschriebenen Wagenplatz auf meine Person, was ihre Gesichtszüge noch um eine weitere Spur talwärts entgleisen lässt.
    »Das nächste Mal werde ich Sie nicht mehr abkassieren ohne Wagen. Haben Sie doch eben gesehen, was da alles ... 9,90«, pampt sie mich an.
    »Das nächste Mal werde ich auf Ihrem Platz sitzen«, grinse ich sie an. Ha, jetzt ist sie aus dem Konzept, erhebt ihren bis Ladenschluss programmiert festgewachsenen ausladenden Hintern unplanmäßig aus der Kassenbox, der Stuhl atmet auf, um den Marktleiter ins Visier zu bekommen. Der knochendürre Mann erscheint wie gerufen neben den roten Grablichtern zu 2,99 im Fünferpack, ich winke ihm zu und sage: »Auf Wiedersehen und bis Montag dann!«
    Hehe, das hat gut getan. Heiner, so kenne ich dich gar nicht, wundre ich mich. Mit dem verbliebenen Rest Nudelbuchstaben auf dem Kehrblech der Auszubildenden ließe sich das Wort Hoffnung bilden. Lediglich das G fehlt.
     
    Auf dem Parkplatz

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