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Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Titel: Dumm gelaufen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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jeweiligen Gegenüber vorbei, dann sagt Phil: »Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen? Sie wissen schon – wegen der Versicherung.« Er zückt seinen Notizblock und macht eine beiläufige Bewegung: Reine Formalität.
    »Sicher. Kommen Sie.«
    Ich erwarte, dass wir zurück zum Haus gehen, stattdessen beginnt Uckermark, Kreise um seinen Fuhrpark zu drehen. Den treibt etwas um, denke ich, und dann wird mir klar, weshalb er heute Morgen eigenhändig seine Ställe ausmistet: Im Haus würde ihm die Decke auf den Kopf fallen.
    »Ich muss langsam machen«, höre ich ihn sagen. »Hier: Kolbenfresser, zweimal schon. Ein halbes Dutzend Bypässe haben sie mir gelegt. Seitdem läuft die Maschine wieder. Aber noch einen macht die nicht mit.«
    Er bleibt stehen, verschnauft. Zwischen zwei Ställen hindurch blicke ich in die Ferne. Mag sein, dass Uckermark dringend Geld braucht, aber an Platz mangelt es ihm nicht. Die beiden Pferde, die da hinten grasen, sind so weit weg, dass selbst Pa sie als ungefährlich einstufen würde. Gaaaanz entfernt ist ein weiteres Gut zu sehen: die Hansens.
    Weckt eine Sehnsucht – so viel Weite.
    Savanne.
    Ist schon sonderbar, oder? Dass man sich nach etwas sehnt, das man nie gesehen hat? Ich bin sicher, wenn ich Rufus davon erzählen würde, hätte der sofort einen Philosophen parat, der sich exakt über dieser Frage das Hirn aufgeraucht und schließlich, am Tag seines Todes, die ultimative Antwort darauf gefunden hat. Besser, ich frage ihn nicht.
    Uckermark setzt seinen Weg fort, immer hübsch im Kreis. Ich erwarte, dass Phil ihn etwas fragt. Macht er aber nicht. Manchmal, sagt mein Partner, ist es gut, den anderen kommen zu lassen. Und das geschieht auch. Bevor wir die nächste Runde beendet haben, beginnt der Gestütsbesitzer zu reden.
    »Wissen Sie«, er klingt, als sei er Phil eine Erklärung schuldig, »ihre Mutter ist bei einem Reitunfall ums Leben gekommen. Da hinten …« Eine ausgestreckte Hand schiebt sich in mein Sichtfeld. Am Horizont ist Waldrand zu sehen. »Hat versucht, mit dem Pferd über einen Graben zu setzen. War an einem Sonntag, zwölfter Juni. Nicht eine Wolke am Himmel. Wir hatten auf der Terrasse gefrühstückt. Ann-Sophie war neun damals … Wir haben ihr gewunken, als sie losgeritten ist, und Ann-Sophie hat ein Bild gemalt: Mami auf dem Pferd, wie sie über die Koppel reitet, mit wehenden Haaren. Sie hat sie extra ohne Helm gemalt, weil sie sonst ihre Haare nicht wehen lassen konnte … Immer und überall hatte sie ihr Stiftemäppchen dabei.« Alle zwei Schritte ist ein scharrendes Geräusch zu hören. Als würde Uckermark etwas Metallisches hinter sich herziehen. Es ist die Mistgabel, die er jetzt offenbar als Gehstock benutzt. »Danach hat Ann-Sophie nie wieder ein Bild gemalt. Ich weiß nicht einmal, was mit dem Mäppchen passiert ist. Aber das war nicht das Schlimmste. Das Schlimmste war, dass sie aufgehört hat zu essen, nachdem ich ihr das Reiten verboten hatte.« Uckermark bleibt stehen, der Motor stottert. Er atmet durch, so gut es geht. »Wissen Sie, wie das ist, wenn die einzige Wahl, die Sie haben, die ist, dass Sie Ihrem Kind entweder dabei zusehen, wie es sich zu Tode hungert, oder ihm das zu erlauben, was seine Mutter umgebracht hat?«
    »Nein«, antwortet Phil, »weiß ich nicht.«
    »Ich habe immer nur das Beste gewollt – habe versucht, das Richtige zu tun.« Es ist unklar, ob er Phils Antwort überhaupt gehört hat. »Aber es ist nicht genug, das Beste zu wollen. Es nur zu wollen, reicht einfach nicht. Na endlich!«
    Uckermark stößt einen Seufzer aus und geht weiter. Auf der Suche nach einer Erklärung für den Seufzer entdecke ich einen Punkt am Waldrand. Einen galoppierenden Punkt.
    »Stardust war ihr Lieblingspferd, eigene Zucht. Kam pünktlich zu ihrem Abitur. Als wollte er sich selbst zum Geschenk machen. Die beiden waren unzertrennlich. Als Ann-Sophie dann zum Studieren nach Yale ging, hat ihr Stardust mehr gefehlt als alles andere, mich eingeschlossen.«
    Phil nutzt die Gelegenheit, den Gestütsbesitzer aus seinen Gedanken zu reißen: »Herr Uckermark?«
    »Ja, bitte?«
    »Sie sagten vorhin, wenn Ihr Jockey …«
    »… Olaf …«
    »Olaf. Dass, falls Olaf die Folgen des Sturzes nicht überleben sollte, Sie sich das nicht verzeihen könnten.«
    Wieder bleibt Uckermark stehen, antwortet aber nicht. Ich nehme an, er macht das, was wir alle machen: Dem Punkt am Horizont dabei zusehen, wie er näher kommt. Inzwischen kann man erkennen, dass

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