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Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Titel: Dumm gelaufen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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hängt Phils Tasche nicht an seiner Schulter, sondern an einer Starkstromleitung. Ich kann das Leder summen hören! Keine persönlichen Gefühle, denke ich, keine Sentimenta … Als hätte Phil meine Gedanken gehört, legt sich seine Hand auf die Taschenkante und verschließt mein Guckloch.
    Mit einem Seufzer lasse ich mich rücklings in mein Kaschmirkissen fallen, verschränke die Vorderbeine auf der Brust, lasse meine Gedanken kreisen wie die Zahlenscheiben eines Glücksspielautomaten und warte darauf, was am Ende für ein Satz herauskommt. Die drei Scheiben drehen sich eine Weile, dann rasten sie, eine nach der anderen, ein. Der Satz, den sie formen, ist dieser: Das gibt Ärger.
    »Herr Mahlow ist von der Versicherung«, klärt Herr Uckermark seine Tochter auf. »Er möchte uns ein paar Fragen stellen, damit die Prämie ausgezahlt werden kann.«
    »Strenggenommen bin ich nicht
von
der Versicherung«, berichtigt Phil, der offensichtlich dem Eindruck vorbeugen möchte, für einen stubenhockenden Formularhengst gehalten zu werden, »sondern bin von der Versicherung be
auf
tragt, den Fall zu bearbeiten. Schließlich geht es um eine nicht unbeträchtliche Versicherungssumme.«
    Damit dürfte klar sein, dass mein Partner der Mann für die echt krass wichtigen Fälle ist. Unter einer Million nimmt er nicht einmal den Hörer ab.
    Ein wortloser Augenblick verstreicht. Im Hintergrund wird Angel Eyes’ Boxentür geschlossen. Die Stiefelschritte des Angestellten entfernen sich.
    »Mir auch?«, fragt Ann-Sophie.
    Worauf du wetten kannst, denke ich. Egal, was es ist, Baby: dir auch.
    »Es könnte die Auszahlung der Versicherungssumme beschleunigen«, erklärt Phil.
    »Also gut. Fragen Sie.«
    »Als Erstes würde ich gerne wissen: Ist Ihnen vor dem Rennen irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen, das mit dem Sturz in Verbindung stehen könnte?«
    Um sich Notizen machen zu können, muss Phil seine Hand von meinem Guckloch lösen. Ich habe also wieder freie Sicht auf Ann-Sophie.
    Ihre Augenbrauen rücken ein Stück näher zusammen. Sie überlegt. Was hinreißend aussieht. Wahrscheinlich sieht sie sogar hinreißend aus, wenn sie Kartoffeln erntet. Da freut sich jede Kartoffel.
    »Das ganze Rennen war ungewöhnlich«, sagt sie jetzt. »Wir waren alle furchtbar nervös, ohne dass ich eine Erklärung dafür hätte. Olaf war nervös, Stardust war …« Sie ringt ihre Tränen nieder. »Ich habe ihn noch nie so erlebt. Als ich ihn über den Ring geführt habe, kam es mir vor, als hätte er verlernt, seine Hufe voreinander zu setzen. Und das übertrug sich natürlich auf mich und von mir wieder auf Olaf und von Olaf auf Stardust …«
    Ann-Sophie führt eine zitternde Hand zum Mund und wendet den Blick ab. Sich selbst zu hören, wie sie über Olaf und Stardust spricht, ist mehr, als sie verkraften kann. Während sich ihre Schmerzensfalte vertieft, rollen ihr Tränen über die Wangen und versickern unter ihren Fingern.
    Ich könnte wetten, dass Phils Knie sich gerade in Fassbutter verwandeln. Etwas Unwiderstehlicheres als eine weinende Frau gibt es auf der ganzen Welt nicht. Ich weiß, wovon ich rede.
    Ann-Sophie presst ihre Lippen aufeinander: Okay, nächste Frage.
    Phil versucht, sich an den Grund seines Kommens zu erinnern. Schließlich geht es auch für ihn um eine Menge Geld. »Können Sie sich vorstellen, dass jemand einen Grund hatte, Stardust … verunfallen zu lassen?«
    Durch ihren Tränenschleier hindurch blickt sie meinem Partner direkt in die Augen. »Außer uns, meinen Sie? Nein. Die Einzigen, die mir einfallen, sind wir. Schließlich war Stardust gut versichert, aber das wissen Sie sicher besser als ich.«
    »Und Olaf?«
    »Sie meinen, ob jemand …« Bei der Erwähnung des Jockeys bricht sie augenblicklich wieder in Tränen aus. Sie schüttelt stumm den Kopf: Nein. Einen wie Olaf will man nicht umbringen. Der tut, wie wir bereits wissen, keiner Fliege etwas zuleide.
    Ein Ruf erschallt. »Herr Uckermark?«
    Die dunkle Stimme kommt aus der entgegengesetzten Richtung, vom Haus her. Ich wechsele zur anderen Öffnung hinüber. Über den Weg, der das Haupthaus mit den Ställen verbindet, eilt ein Mann in dunkler Jacke auf uns zu: schwarze Schuhe, straffe Schultern, Stechschritt.
    Sobald er den Hof erreicht hat, vollzieht sich etwas Merkwürdiges: Ann-Sophie wendet sich ab, und Herr Uckermark sinkt in sich zusammen. Da ich inzwischen gelernt habe, dass die menschliche Körpersprache die erdmännische weitgehend nachahmt,

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