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Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Titel: Dumm gelaufen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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habe es seinen Zenit überschritten und würde langsam untergehen.
    »Ich glaube nicht, dass der Jockey das Ziel war«, sagt Phil, während wir über die Dorfstraße zuckeln. »Erstens: Im Gegensatz zu Stardust war er nicht gegen Reitunfälle versichert. Hab ich recherchiert. Zweitens: zu viele Risiken, zu viele Wenns und Abers und Vielleichts. Drittens: Es ist, wie Stöber gesagt hat – am Jockey ist nicht mehr dran als an einem abgenagten Hundeknochen. Ich sehe nicht, weshalb irgendjemand einen Grund hätte haben sollen, ihn umzubringen.«
    »Weil er jemandem gefährlich geworden ist?«
    Phil kratzt sich die Stoppeln an seinem Kinn. Rasiert hat er sich auch noch nicht wieder, seit er zurück ist. Am Ende bist du, was du bist. Wir passieren den Dorfplatz, die Kirche und den Edeka, und als wir kurz davor sind, Nowehr auf der anderen Seite wieder zu verlassen, entdeckt Phil ein verwaschenes Schild und gibt ein Geräusch von sich, das übersetzt »Ah, da geht’s lang« heißen soll. Wir biegen auf einen schlecht befestigten Feldweg, holpern erst durch ein verwunschenes Waldstück, dann über offenes Gelände und stehen schließlich in einer Matschpfütze vor einem Klinkerbau, der mal sehr herrschaftlich ausgesehen haben muss, inzwischen aber wie ein ehemaliges Landschulheim wirkt, in dem zwischenzeitlich eine Jugendherberge untergebracht war, die aber den Mietvertrag gekündigt hat, nachdem im Winter ständig die Heizung ausgefallen ist und die Wasserleitungen geplatzt sind. Die Ziegel hängen durch, und da, wo die Dachrinne ein Loch hat, wuchert etwas Organisches von ungesunder Farbe auf dem Mauerwerk. Stöber, das sesselfurzende Schlitzohr, hatte recht: Der alte Uckermark kann das Geld von der Versicherung gut gebrauchen.
    Als ich in Phils Umhängetasche steige, kommt mir ein Gedanke. Kurz nur, und wahrscheinlich ziemlich abwegig, aber dennoch: Gibt es außer den 50 000  Euro einen weiteren Grund, der Phil dazu bewogen haben könnte, noch einmal hier rauszufahren? Einen, der mit »Ann« anfängt und mit »Sophie« aufhört? Wie gesagt, ist wahrscheinlich ziemlich abwegig. Eine kleine Mahnung scheint mir dennoch angebracht. »Denk dran«, sage ich, »Professionalität ist oberstes Gebot. Keine persönlichen Gefühle, keine Sentimentalitäten, keine …« Der Deckel schließt sich über mir.
    Wir steigen die Stufen zur Eingangstür hinauf und klingeln. Nichts. Phil klingelt noch einmal. Wieder nichts. Etwas abseits des Hauses befinden sich drei flache, langgestreckte Gebäude, die in Hufeisenform um einen betonierten Platz angeordnet sind. Die Ställe. Auf dem Hof stehen ein paar Pferdeanhänger herum, zwei Autos, ein fahrbarer Rasenmäher und ein paar Dinge mit Rädern, deren Funktion mir unklar ist. Sieht ein bisschen nach Wanderzirkus aus. Auf jeden Fall nach menschlichem Leben.
    Phil will gerade seinen Kopf in die erste Box stecken, als eine Ladung vollgepinkeltes Stroh um Klauenbreite an seinem Gesicht vorbeifliegt und im Hof landet.
    Mein Partner klopft an die Boxentür: »Hallo?«
    Ein Bolzen wird zurückgeschoben, und Uckermark erscheint, persönlich, in Latzhose. Hier mistet der Chef noch selbst aus.
    »Ja, bitte?«
    Der Gestütsbesitzer macht einen ungesunden Eindruck. Um die Nase blass, die Wangen rot. Auf seiner hohen Stirn glänzt ein Schweißfilm. Schweratmend, stützt er sich auf seine Mistgabel, und das nach nur einer Ladung Heu. Er würde sich gerne zur Ruhe setzen, für immer vielleicht. Aber einer muss es ja machen, also macht er es. Ein Uckermark klagt nicht.
    Phil stellt sich vor und erklärt dem Gestütsbesitzer, dass er von der Versicherung beauftragt wurde, einen Bericht zu schreiben, damit die Prämie zur Auszahlung kommen kann. Und dass ihm die Sache mit dem Unfall sehr leidtue, auch und insbesondere wegen des Jockeys.
    Bei der Erwähnung des Jockeys muss Uckermark gleich noch die zweite Hand hinzunehmen, um sich auf seine Gabel zu stützen. »Der arme Olaf … Wenn der nicht durchkommt … Das würde ich mir nie verzeihen.«
    »Wie geht es ihm denn?«
    »Unverändert, soweit ich weiß. Meine Tochter war heute Morgen schon bei ihm, aber ich habe sie noch nicht gesprochen seitdem. Kaum war sie wieder hier, ist sie ausgeritten. Das hat sie alles sehr mitgenommen, wissen Sie?« Er blickt erst auf seine Uhr, dann in die Ferne: »Ist schon über eine Stunde weg. Na ja, sie ist eine gute Reiterin. Der passiert nichts.«
    Einen Moment stehen die beiden Männer schweigend da und blicken am

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