Dumm gelaufen: Roman (German Edition)
er sich aus zwei Teilen zusammensetzt: Reiter und Pferd. Reiterin vielmehr.
»Herr Uckermark?«
»Hm?«
»Wie war das gemeint – dass Sie sich das nicht verzeihen könnten?«
»Oh, ach das … Ja, wissen Sie, unter uns gesagt: Ich hatte schon vor dem Rennen kein gutes Gefühl. Wir wollten es noch einmal versuchen mit Stardust, schauen, wie es läuft, ob er noch fit genug ist für eine Saison … Vielleicht hätte ich ihn nicht mehr an den Start gehen lassen dürfen.« Erst jetzt erinnert sich der Gestütsbesitzer daran, dass Phil von der Versicherung ist. »Ich meine, es war nicht verantwortungslos oder so. Nur, dass ich kein gutes Gefühl hatte.«
Das Pferd prescht heran, die Reiterin in der Hocke. Ich glaube, das ist es, was man gestreckten Galopp nennt. Eine schlanke Reiterin, gertenschlank, um im Bild zu bleiben.
»Davon bin ich überzeugt«, beruhigt ihn Phil, der offenbar selbst ganz in Anspruch genommen ist von dem, was sich ihm da nähert. Sieht in der Tat sehr … dynamisch aus. Und zugleich so … symbolisch. Oder war es symbiotisch? Wie auch immer: Da kann man auf jeden Fall steil drauf gehen.
»Wie ist es mit Ihrem Jockey?«, fragt Phil jetzt unvermittelt.
»Olaf?«
»Genau, Olaf.«
»Was soll mit ihm sein?«
»Nun, um die Auszahlung der Versicherungssumme anzuweisen, sollte ich nach Möglichkeit jede Art von Fremdverschulden ausschließen können.«
»Sie glauben, Olaf ist absichtlich gestürzt?«
»Nein. Aber können Sie sich vorstellen, dass jemand ein Interesse daran gehabt haben könnte, ihn stürzen zu lassen?«
»Was denn – Olaf? Der tut doch keiner Fliege etwas zuleide!«
Inzwischen ist Hufgetrappel zu hören. Wie im Western. Gerade im richtigen Moment dreht Phil sich so hin, dass ich sehen kann, wie Ann-Sophie sich aufrichtet, die Zügel anzieht und ihr Pferd so weit abbremst, dass es gefahrlos auf den harten Beton des Hofes traben kann, wo das stumpfe Trappeln der Hufe von einem harten Klacken abgelöst wird. Ich kenne übrigens beide: Pferd und Reiterin. Das Pferd ist unsere Auftraggeberin: Angel Eyes. Und Ann-Sophie ist tatsächlich die Frau, die beim Pferderennen Stardust über den Ring geführt hat. Nur dass sie heute statt einer Jeans Reithosen trägt, vielmehr: dass ein paar Reithosen das Privileg genießen, sich an ihre Schenkel schmiegen zu dürfen. Dazu schwarze Reitstiefel, eine streng sitzende Weste, Gerte und Helm. Brrrrrr. Vollständig aufgewogen wird Ann-Sophies scharfes Outfit allerdings durch die Zartheit ihrer Wangenknochen, ihre sinnlichen, nach der Anstrengung bebenden Lippen und die von stummem Schmerz erfüllten Augen. Um es kurz zu machen: Hinten läuft es einem kalt den Rücken runter, vorne wird einem das Herz warm. Beinahe wie bei Elsa.
Sie schwingt sich galant aus dem Sattel – eine Bewegung, von der ich annehme, dass Phil sich für den Rest seines Lebens wünschen wird, er könne sie in Öl malen –, nimmt die schwitzende Angel Eyes am Zügel und führt sie zur Kopfseite eines der Ställe, wo sie sie liebevoll mit einem Gartenschlauch abspritzt. Im Dunst der aufstiebenden Tropfen ist im Gegenlicht für einen Moment ein Regenbogen zu sehen. Was für ein Schauspiel, denke ich, und sehe mich selbst für einen schmerzlichen Moment mit Elsa auf Angel Eyes durch die Savanne reiten, die Zügel fest in den Klauen, Elsas Pfoten um meine Brust geschlungen, ihr zart bepelztes Schnäuzchen an meine starke Schulter gelehnt, während ihre Barthaare mich neckisch im Ohr kitzeln …
Kapitel 9
»Da bist du ja!« Herr Uckermark begrüßt seine Tochter mit deutlicher Erleichterung in der Stimme.
Ann-Sophie gibt Angel Eyes in die Obhut eines herbeieilenden Angestellten, wendet sich ihrem Vater zu und kommt mit wiegender Hüfte zu uns herüber.
»Ich habe dir doch gesagt, dass ich ausreite.«
»Sicher«, gibt Uckermark zu, »ich dachte nur nicht, dass du so lange wegbleiben würdest …«
Sie nimmt den Helm ab und löst das Gummi, das ihren Pferdeschwanz zusammengehalten hat. In ihren Wimpern kleben winzige Tröpfchen vom Abspritzen des Pferdes. Ohne etwas zu sagen blickt sie Phil an, neigt den Kopf ein klitzekleines bisschen zur Seite und erlaubt der Schmerzensfalte zwischen ihren Augenbrauen, sich finelinermäßig abzuzeichnen.
»Das ist Herr, äh …«, beginnt Uckermark.
»… Mahlow«, stellt Phil sich vor, »Phil Mahlow.«
Er reicht Ann-Sophie die Hand, die sie etwas irritiert ergreift, und ich schwöre, für die Dauer dieses Handschlags
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