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Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Titel: Dumm gelaufen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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ich Rufus zu, und bevor er mir mit einem weiteren Zitat kommen kann, bin ich im Westeingang verschwunden.

Kapitel 8
    »Wieso machen wir das eigentlich?«, frage ich mit vollem Maul.
    Ich habe es mir auf meinem Kindersitz bequem gemacht, um mich herum schwebende Elefanten, und halte ein Marmeladenglas voller Feuerkäfer im Schoß. Wir sind unterwegs auf der baumgesäumten Landstraße, die mir von gestern noch vertraut ist. Phil war so nett, mir Lebendfrühstück mitzubringen. Seines besteht aus einem Becher Kaffee, groß genug, um Zierkarpfen darin zu züchten.
    »Du meinst, wieso wir schon wieder nach Nowehr fahren?«, entgegnet er.
    Nowehr, um das kurz zu klären, ist das Kaff, in dem die Hansens und die Uckermarks ihre Anwesen haben. Ich picke mir den nächsten Feuerkäfer heraus, drehe ihn im Morgenlicht hin und her und schiebe ihn vorsichtig ins Maul. Ich mag das Kitzeln auf der Zunge, wenn er mit seinen kleinen Beinchen zappelt. Für einen Augenblick wiege ich ihn in der Hoffnung, er könnte seinem Schicksal noch entrinnen und meinem Maul entkommen, doch als er über meine Zähne klettert, beiße ich zu.
    »Hm-m«, bestätige ich kauend und schlucke den Käfer runter. »Ich meine: Gestern war es doch noch so, dass wir strenggenommen gar keinen richtigen Fall hatten.«
    »Gestern war es auch noch so, dass ich strenggenommen niemanden hatte, der mir 50 000  Euro zahlt, wenn ich herausfinde, dass es kein Unfall war.«
    Wir, denke ich. Wenn
wir
herausfinden, dass es kein Unfall war. »Verstehe.« Ich hebe den Deckel an, wähle den nächsten Käfer aus, stecke ihn ins Maul, kitzel kitzel … Knack.
    Phil dreht mir seine Sonnenbrille zu.
    »Was ist?«, frage ich.
    Ups, beinahe wäre mir der Käfer doch noch entwischt. Manchmal krabbeln die weiter, obwohl man den Panzer bereits zerdrückt hat. Zähe kleine Dinger.
    »Du schmatzt.«
    »Ist ein cooles Gefühl, wenn der Panzer knackt«, erkläre ich. »Sind nämlich eigentlich Wanzen, weißt du? Man nennt die nur Käfer.«
    Phil blickt wieder geradeaus.
    Der nächste Käfer ist dran. »Die sind gut«, sage ich. »Wo hast ’n die her?«
    »Aus dem Tiergarten. Die hingen zu Hunderten an einer Baumwurzel dran, da dachte ich: Auf ein paar Dutzend mehr oder weniger kommt es dem Baum nicht an.«
    Guter Mann. »Du warst, bevor du mich abgeholt hast, schon im Tiergarten?«
    »Bin ein bisschen rumgelaufen. Wollte meinen Kopf freikriegen.«
    Ich weiß, wovon er redet. Gibt so Tage. »Und, wie war’s?«
    »Ich sag es mal so«, antwortet Phil, »in Cape Town am Strand entlangzulaufen und sich die Zehen umspülen zu lassen, ist auch ganz nett.«
    Wir schweigen. Männer unterwegs. Knacken Feuerkäfer, trinken Kaffee. Irgendwann tauchen am Horizont ein paar versprengte Ziegelbauten auf. Auf einem Acker zieht ein blauer Traktor einsam seine Bahnen. Nowehr.
    »Was wäre«, überlege ich, »wenn es gar nicht um die Versicherungsprämie geht?«
    »Sondern?«
    »Um den Jockey natürlich.« Ich kraule mir die Eier und stelle fest, dass mir ein Feuerkäfer entwischt ist, der sich zwischen meinen Hinterbeinen verstecken wollte. Ts, ts. Also: »Was, wenn jemand die Chance nutzen wollte, es wie ein Reitunfall aussehen zu lassen, in Wirklichkeit aber den Jockey aus dem Weg räumen wollte?«
    Phil stellt fest, dass sein To-go-Eimer leer ist und entsorgt ihn im Fußraum vom Beifahrersitz. »Dann hätten wir es mit Mord zu tun.«
    »Ach, und wenn es doch um Stardust geht – haben wir es dann etwa nicht mit Mord zu tun?«
    »Der Mord an einem Tier ist nicht dasselbe wie der Mord an einem Menschen.«
    »Sagt wer?«
    »Der Mensch.«
    Ich klatsche demonstrativ Beifall: »Glückwunsch! Ihr seid ja echt ’ne tolle Spezies.«
    »Danke.«
    Ob es im Tierreich eine Spezies gibt, die noch arroganter ist als der Mensch? Noch überheblicher? Noch größenwahnsinniger?
    Nö, da fällt mir nix ein.
    »Weshalb sollte jemand extra einen Reitunfall inszenieren, wenn er es eigentlich auf den Jockey abgesehen hat?«, überlegt mein Partner.
    »Sag du es mir. Reitunfall, Autounfall, Skiunfall … Ihr Menschen denkt euch doch ständig irgendwelche Unfälle aus, um jemanden aus dem Weg zu räumen.«
    »Bist beleidigt, hm?«
    »Aus gutem Grund.«
    »Ich hab die Gesetze nicht gemacht.«
    »Soll das so eine Art Entschuldigung sein?«
    »So eine Art.«
    »Angenommen.«
    Die Häuser sind näher gerückt. Wir passieren das Ortsschild, das an verrosteten Schrauben an einem abgeknickten Pfahl hängt und so aussieht, als

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