Dumm gelaufen: Roman (German Edition)
Es ist im Gegensatz zur übrigen Wäsche nicht gefaltet und hat einen Kaffeefleck in Höhe der Brusttasche. Ich vermute, der Mann, dem der Koffer gehört, hat das Hemd rasch gewechselt, bevor er sich auf den Weg gemacht hat. Da nicht einmal der Kulturbeutel ausgepackt worden ist, muss er es einigermaßen eilig gehabt haben.
Kliff Henger sieht das anders. Über den Kaffeefleck gebeugt, stellt er im Tonfall eines kompetenten Ermittlers fest: »Kaffee«. Und nachdem er diese bahnbrechende Erkenntnis hat wirken lassen, fügt er hinzu: »Sollte man vielleicht kriminaltechnisch untersuchen lassen. Was meinen Sie?«
Ich sehe, dass Phil einen genervten Blick gen Himmel schickt, sich aber nicht anmerken lässt, dass er Kliff für eine Flachzange hält.
»Mmmmmh«, sagt mein Partner, was so viel bedeutet wie: Lass mich in Ruhe.
Kliff fühlt sich jedoch durch die vermeintliche Zustimmung Phils ermutigt und beginnt nun, den Koffer auszuräumen. Er legt die Kleidungsstücke nebeneinander aufs Bett, wobei er peinlich genau darauf achtet, dass sie so gefaltet bleiben, wie sie zuvor im Koffer lagen.
Phil verschränkt die Arme und wartet ab. Als Nowehrs bester Polizist mit großer Sorgfalt die letzte Boxershort aus dem Koffer hebt, kommt darunter ein aufgeschlagenes Heft zum Vorschein, das eine gewisse Ähnlichkeit mit den Programmheften in Hoppegarten hat. Ein Wort ist dick mit Kugelschreiber eingekreist. Ich kann es nicht erkennen. Macht aber nichts. Ich könnte es sowieso nicht lesen.
Phil scheint es für wichtig zu halten, denn während Kliff Henger konzentriert die fremde Boxershort ums Bett herumträgt, schnappt mein Partner sich rasch das Heft und lässt es in der Innentasche seines Sakkos verschwinden.
Henger hat nichts gemerkt. Versunken betrachtet er die auf dem Bett ausgebreiteten Kleidungsstücke.
»Irgendeine Spur?«, fragt Phil.
Kliff wiegt den Kopf hin und her. »Ich bin mir nicht ganz sicher … Aber kann es sein, dass diese Boxershorts da anders gefaltet ist als die Jeans?«
»Interessante Beobachtung«, erwidert Phil tonlos. »Wir sollten dem unbedingt nachgehen. Haben Sie jemanden, der den Fundort dokumentieren könnte?«
»Nicht direkt«, beginnt Kliff. »Aber ich fotografiere selbst ein bisschen … also nur hobbymäßig, ähm …«
»Perfekt!«, fällt ihm Phil ins Wort. »Dann fangen Sie doch sofort an. Wir brauchen Fotos von allen Dingen, die im Koffer waren, und natürlich brauchen wir den Fundort aus allen Perspektiven. Ich bringe inzwischen das Hemd mit dem verdächtigen Kaffeefleck nach Berlin und lasse es kriminaltechnisch untersuchen.«
»Sehr gut! So machen wir es«. Kliff nickt eifrig, während Phil das fleckige Hemd an sich nimmt und seine Umhängetasche schultert.
Als Phil sich an einer Raststätte einen Kaffee holt, erledige ich die kriminaltechnische Untersuchung des Hemdes nach der guten, alten Erdmännchenmethode: schnüffeln, lecken, schaben, zupfen. Es dauert nicht lange, dann weiß ich, dass der Träger des Hemdes seinem Schweiß nach zu urteilen in guter körperlicher Verfassung war. Er benutzte ein Duftwasser, das eine erstaunlich süßliche Note hatte, und seinen Kaffee trank er mit viel Milch und Zucker.
Phil ist zufrieden. »Besser kriegen die das in der Kriminaltechnik auch nicht hin.«
»Danke«, erwidere ich. »Und jetzt sag mir, was es mit dem Programmheft aus dem Koffer auf sich hat!«
Phil zieht das Büchlein aus der Innentasche seines Sakkos und zeigt mir die Titelseite. Darauf ist ein Pferderennen im Schnee zu sehen.
»Das berühmte ›White Turf‹ in Sankt Moritz«, erklärt er. »Findet jeden Winter statt, und im letzten Winter …« Phil zeigt die aufgeschlagene Seite mit dem eingekreisten Wort, »… ist auch Stardust dort gelaufen. Zumindest hat der Kerl, den Kliff Henger sucht, den Namen von Stardust markiert.«
»Dann gibt es also eine tiefergehende Verbindung von dem Vermissten zu Uckermark.«
Phil nickt, nippt an seinem Kaffee und blickt in die Ferne.
»Nehmen wir mal an, dieser Kerl hat mit seinem Besuch auf dem Hof von Uckermark sein Leben aufs Spiel gesetzt. Wo würdest du seine Leiche verschwinden lassen?«
»Vergraben. Geht am schnellsten«, antworte ich wie aus der Pistole geschossen.
»Okay. Ich hab die Frage vermutlich dem Falschen gestellt. Meine Antwort hieße: Ich versenke den Toten im See.«
»Und du denkst natürlich an den kleinen See unweit des Uckermarkschen Gutshauses, richtig?«
Phil nickt. »Kennst du jemanden, der da
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