Dumm gelaufen: Roman (German Edition)
reine Zweckgemeinschaft, wenn du mich fragst.«
»Ja. Und als solche könnten sie auch den Mord an Stardust geplant haben«, erwidert Phil nachdenklich. »Aber da ist etwas anderes, das mich beschäftigt. Stardust war Ann-Sophies Lieblingspferd. Der alte Uckermark hätte also in Kauf genommen, seiner über alles geliebten Tochter ihr Liebstes zu nehmen.«
Unwillkürlich kraule ich mir die Eier. »Und das hieße dann also, Luis Schacher ist der alleinige Täter.«
»Nicht so voreilig, Partner. Solange wir keine Beweise haben, haben wir auch keinen Täter.«
»Aber deine Nase sagt dir auch, das Schacher der Täter ist, oder?«
»Meine Nase sagt mir, dass die Geschichte komplizierter ist, als sie momentan scheint.«
»Ich hab beide Schlüssel zum Zimmer des Vermissten konfisziert und die Tür amtlich versiegelt«, erklärt Kliff Henger, während er und Phil die leise knarrende Treppe in den ersten Stock erklimmen. Durch die Seitenöffnung von Phils Tasche erkenne ich eine Tür, die dick mit Kreppband verkleistert ist. In der Mitte hängt ein mit Filzstift beschriftetes Blatt Papier. Auch Phil hat es gesehen, denn ich höre ihn sagen: »Sieht sehr speziell aus, Ihr amtliches Siegel.«
Man sieht, dass Kliff das Thema unangenehm ist, denn er verzieht leicht gequält das Gesicht. »Ehrlich gesagt, gab es hier noch nie was zu versiegeln. Deshalb ist wohl auch noch keiner auf die Idee gekommen, dass wir Siegel brauchen könnten.«
Phil zieht das bekritzelte Blatt Papier von der Tür und liest laut vor: »Betreten verboten! Polizeidienststellenleitung Nowehr.«
»Mein offizieller Titel«, sagt Kliff Henger, und es ist unüberhörbar, dass er stolz darauf ist, einen Titel zu tragen, der länger ist als die Dorfstraße.
»Und woher wissen die Leute, dass das hier« – Phil umfasst mit einer Handbewegung Kliff Hengers amtliche Kreppversiegelung – »kein Kinderstreich ist, sondern tatsächlich zu einer polizeilichen Ermittlung gehört?«
Kliff zeigt auf das immer noch in Phils Händen befindliche Blatt Papier. »Ich hab unten rechts unseren Dienststellenstempel draufgesetzt.«
Phil drückt Kliff das Blatt in die Hand und beginnt, die wüst verklebte Tür vom Kreppband zu befreien. »Sie sagten, der Wirt hätte den Koffer gefunden. Hat er irgendwas im Zimmer angefasst?«
»Ähhm. Nicht ganz«, erwidert Kliff. »Eigentlich hat die Putzfrau den Koffer gefunden. Beim Staubsaugen. Er lag unterm Bett.«
»Und die Putzfrau hat dann den Wirt geholt.«
»Nein. Die Wirtin«, korrigiert Kliff. »Und die hat dann den Koffer rausgeholt und ihn zum Wirt gebracht. Der hat aber gleich geschaltet, weil er wusste, dass es hier um eine polizeiliche Ermittlung geht. Deshalb hat er sich von der Wirtin zeigen lassen, wo der Koffer gelegen hatte, und ihn dann wieder dort deponiert.«
Ich höre Phil leise seufzen. »Aber aufgemacht wurde der Koffer nicht, oder etwa doch?«
»Nein. Allerdings hat die Putzfrau die Abwesenheit der Wirtin genutzt, um das Zimmer auf Vordermann zu bringen. Da sind also die möglichen Spuren leider futsch.«
Phil hat die Tür von den letzten Klebestreifen befreit, nun tritt er zurück, damit Kliff sie öffnen kann.
Das Zimmer hat einen muffigen Geruch, der nur halbwegs vom Zitronenaroma eines billigen Putzmittels übertüncht wird. Es gibt ein Bett und einen Schrank, beides aus schwerem dunklen Eichenholz. Das Fenster zur Straßenseite ist geschlossen, der Blick wird durch Gardinen versperrt, deren gräuliche Schlieren ganz gut zur Farbe der Einrichtung passen.
Phil stellt seine Umhängetasche so aufs Bett, dass ich den kleinen Raum gut überblicken kann. Dann zieht er den Koffer unter dem Bett hervor, legt ihn auf die braune Tagesdecke und greift in sein Sakko. Während Phil Einmalhandschuhe überzieht, lässt Kliff Henger bereits die Schlösser des Koffers aufschnappen und hebt ein Hemd in die Höhe. Als der Polizeidienststellenleiter von Nowehr sich damit zu Phil umdreht und dessen Handschuhe sieht, lässt Kliff das Hemd erschrocken wieder fallen. »Oh. Die hab ich in der Aufregung total vergessen. Ähm … hätten Sie vielleicht für mich auch noch welche?«
Phil zieht schweigend zwei weitere Einmalhandschuhe aus seinem Sakko und reicht sie Kliff Henger. Der nimmt sie mit einem dankbaren Kopfnicken entgegen.
Der Inhalt des Koffers deutet darauf hin, dass sein Eigentümer nicht lange in Nowehr bleiben wollte. Es finden sich Wechselwäsche, eine Jeans und zwei Hemden. Eines davon liegt obenauf.
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