Dune 01: Der Wüstenplanet
aufhielt. Der Planetologe hatte also noch ein zweites Gesicht.
»Wir sind Ihnen für Ihre Hilfe sehr dankbar, Dr. Kynes«, sagte sie.
»Mmmm«, machte Kynes. »Wir werden sehen.« Er nickte einem seiner Leute zu und sagte: »Gewürzkaffee, Shamir. In mein Arbeitszimmer.«
»Sofort, Liet«, erwiderte der Angesprochene.
Kynes wies auf eine in den Felsen gehauene Tür in der Seitenwand.
»Darf ich bitten?«
Jessica nickte und sah, daß Paul Idaho mit der Hand ein Zeichen gab, das bedeutete, er solle hier Wache halten.
Der Gang, der nicht länger als zwei Schritte lang war, führte durch eine schwere Tür in ein quadratisches Büro, das von goldenen Glanzgloben erhellt wurde. Als sie die Schwelle überschritt, ließ Jessica eine Hand über die Türfüllung gleiten. Überrascht stellte sie fest, daß sie aus Plastahl bestand.
Nach drei Schritten blieb Paul in der Mitte des Zimmers stehen und legte sein Bündel auf dem Boden ab. Er sah sich forschend um. Hinter ihm schloß sich die Tür. Der Raum war etwa acht mal acht Meter groß, seine Wände bestanden aus natürlichem Fels von senfbrauner Farbe, von denen eine mit metallenen Regalen bedeckt war. Ein niedriger Tisch mit einer Milchglasplatte beherrschte den Mittelpunkt des Raums. Vier Suspensorstühle standen um ihn herum gruppiert.
Kynes umrundete Paul und rückte für Jessica einen Stuhl zurecht. Sie nahm Platz und beobachtete, wie ihr Sohn der neuen Umgebung seine Aufmerksamkeit schenkte.
Paul blieb noch stehen. Seine Sinne verrieten ihm, daß der leise Luftzug, den er verspürte, aus der Richtung der Regale kam. Offenbar war irgendwo dahinter ein geheimer Fluchtweg verborgen.
»Wollen Sie sich nicht setzen, Paul Atreides?« fragte Kynes.
Wie sorgfältig er es vermeidet, mich mit meinem Titel anzureden, dachte Paul. Er nahm den Stuhl und setzte sich schweigend. Auch Kynes nahm nun Platz.
»Sie spüren also auch, daß man aus Arrakis ein Paradies machen könnte«, begann er. »Aber andererseits sehen Sie selbst, daß der Imperator keine anderen Interessen verfolgt, als seine Schergen herzuschicken, damit sie diese Welt ihres Gewürzes berauben.«
Paul streckte die Hand aus, an deren Daumen der herzogliche Siegelring steckte. »Sehen Sie diesen Ring?«
»Natürlich.«
»Und Sie kennen seine Bedeutung?«
Jessica drehte sich nach ihrem Sohn um.
»Ihr Vater liegt tot in den Ruinen von Arrakeen«, entgegnete Kynes. »Technisch gesehen sind Sie sein Nachfolger.«
»Ich bin ein Soldat des Imperiums«, sagte Paul. »Das heißt, ich bin technisch gesehen ebenfalls ein Scherge.«
Kynes' Gesicht verdüsterte sich. »Obwohl die Sardaukar des Imperators noch über dem Leichnam Ihres Vaters stehen?«
»Die Sardaukar haben nichts mit dem legalen Ursprung meiner Autorität zu tun«, erwiderte Paul.
»Arrakis hat seine eigene Art, zu bestimmen, wem hier die Herrscherkrone gebührt«, versetzte Kynes.
Jessica, die sich dem Planetologen zuwandte, dachte: Dieser Mann besteht aus Stahl ... aus dem Stahl, den wir unbedingt brauchen. Paul begibt sich in Gefahr, wenn ...
Paul sagte: »Die Sardaukar, die sich jetzt auf Arrakis aufhalten, beweisen, wie sehr der Imperator meinen Vater gefürchtet hat. Und jetzt werde ich dem Padischah-Imperator zeigen, daß er wirklich einen Grund hat, die ...«
»Junge«, fiel ihm Kynes ins Wort, »es gibt Dinge, die du nicht ...«
»Sie werden mich in Zukunft mit ›Sire‹ oder ›Mylord‹ ansprechen«, sagte Paul.
Vorsichtig, dachte Jessica.
Kynes starrte Paul an. Es blieb Jessica nicht verborgen, daß sein Blick eine Mischung aus Verehrung und Amüsiertheit gleichzeitig beinhaltete.
»Sire«, murmelte Kynes.
»In den Augen des Imperators«, fuhr Paul fort, »stelle ich einen Störfaktor dar. Ich störe alle, die beabsichtigen, diesen Planeten unter sich aufzuteilen. Und so wahr ich hier sitze: Ich habe die Absicht, auch weiterhin der Kloß in ihrer Kehle zu sein; der Kloß, an dem sie eines Tages ersticken!«
»Gerede«, sagte Kynes.
Paul starrte ihn an.
Plötzlich sagte er: »Es gibt hier auf Arrakis eine Legende. Nach ihr wird eines Tages der Lisan al-Gaib kommen, die Stimme aus der Außenwelt, und sie wird die Fremen in das Paradies führen. Ihre Leute haben ...«
»Aberglauben!« entgegnete Kynes.
»Vielleicht«, gab Paul ihm recht. »Vielleicht aber auch nicht. Manchmal haben Aberglauben seltsame Wurzeln.«
»Sie haben einen Plan«, erwiderte Kynes. »Das merkt man ... Sire.«
»Könnten die Fremen mir einen
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