Dune 01: Der Wüstenplanet
Sohn ging, und sie dachte: Er weiß, wie man Männer für sich gewinnt.
Die Fremen rollten nun einen Felsen zur Seite, hinter dem ein dunkler Gang schräg nach unten führte. Man hielt eine Abdeckung bereit, für alle Fälle.
»Hierher«, sagte einer der Fremen und führte sie über in den Felsen gehauene Treppenstufen in die Finsternis.
Hinter ihnen verschluckte die Abdeckung das Licht des Mondes und der Sterne. Irgendwo vor ihnen leuchtete sanftes, grünes Licht. Sie wandten sich nach links. Überall um sie herum waren nun mit Roben bekleidete Fremen, die sich wie ein Strom nach unten wälzten. Sie umrundeten eine Ecke und stießen auf eine weitere, sich steil neigende Passage. Schließlich erreichten sie eine große unterirdische Höhle.
Vor ihnen stand Kynes. Er hatte die Kapuze zurückgeschlagen, und der sichtbare Stoff seines Destillanzugs glänzte in dem grünen Licht. Haar und Bart wirkten zerzaust, die völlig blauen Augen erschienen wie dunkle Höhlen unter schweren Brauen.
Im gleichen Moment, als sie die Höhle betraten, fragte Kynes sich: Warum helfe ich diesen Leuten? Ich habe mich auf das gefährlichste Unternehmen meines Lebens eingelassen. Es kann mir selbst das Genick brechen.
Dann maß er Paul mit einem direkten Blick. Der Junge hatte den schützenden Mantel der Kindheit abgestreift, man sah in seinem Verhalten weder Angst noch die Auswirkungen von Depression. Offenbar hatte er erkannt, daß für ihn im Moment nichts anderes von Wichtigkeit war als die Position, die er jetzt einnehmen mußte: die eines Herzogs. Kynes wurde bewußt, daß das Herzogtum auf Arrakis noch immer existierte, und möglicherweise gerade deshalb, weil Paul noch so jung war. Er durfte diese Sache nicht zu leicht nehmen.
Jessica sah sich in der unterirdischen Kammer um und stellte fest, daß es sich um ein Laboratorium handeln mußte. Die ausgebildeten Sinne einer Bene Gesserit ließen einfach keinen anderen Schluß zu.
»Wir sind hier in einer der ökologischen Teststationen des Imperators, die mein Vater als vorgeschobene Stützpunkte ausbauen wollte«, stellte Paul fest.
... die sein Vater wollte! dachte Kynes.
Und er wunderte sich über sich selbst. Bin ich verrückt, diesen Flüchtlingen zu helfen? Warum tue ich das? Es wäre leicht, sie jetzt festzunehmen und mir damit das Vertrauen der Harkonnens zu erkaufen.
Paul folgte dem Beispiel seiner Mutter und begann, sich den Raum näher anzusehen. An der Wand entlang waren Arbeitsplätze, überall standen Instrumente herum. Er sah Drahtgebilde und Röhren. Über allem lag ein ozonreicher Duft.
Einige der Fremen begannen nun, sich in einem bestimmten Winkel aufzustellen, während die Luft von Geräuschen erfüllt wurde: Maschinen liefen knirschend an, die Unterwelt erwachte zu einer neuen Art von Leben.
Am Ende der Höhle entdeckte Paul eine Reihe von Käfigen, die an der Felswand befestigt waren und in denen sich kleinere Tiere befanden.
»Sie haben richtig erkannt, wo wir uns befinden«, sagte Kynes. »Für welchen Zweck würden Sie einen solchen Ort benutzen, Paul Atreides?«
»Um diesen Planeten für Menschen bewohnbar zu machen«, erwiderte Paul.
Vielleicht helfe ich ihm aus diesem Grund, dachte Kynes.
Das Geräusch der Maschinen verstummte abrupt und machte einer Stille Platz. Aus den Käfigen kamen quäkende Laute. Aber auch sie verstummten, als hätte jemand sie abgeschaltet.
Paul richtete seine Aufmerksamkeit auf die Tiere. Es handelte sich um braunhäutige Fledermäuse, die von einer automatischen Fütterungsanlage, die sich quer über die Felswände bewegte, ernährt wurden.
Ein Fremen erschien aus einem im Dunkeln liegenden Teil der Höhle und sagte zu Kynes: »Liet, der Feldgenerator arbeitet nicht mehr. Das bedeutet, daß wir uns im Moment nicht vor Detektorstrahlen schützen können.«
»Läßt sich der Schaden beheben?« fragte Kynes.
»Es wird eine Weile dauern.« Der Mann zuckte mit den Achseln.
»Hmm«, brummte Kynes. »Dann müssen wir eben ohne die Maschine auskommen. Stellt eine Handpumpe auf, damit wir Luft von draußen bekommen.«
»Wird gemacht.« Der Mann verschwand.
Kynes wandte sich wieder Paul zu. »Sie haben eine gute Antwort gegeben.«
Jessica fiel ein gewisser Ton in Kynes' Stimme auf. Er war es gewohnt, Befehle zu erteilen und hatte wie ein Adeliger gesprochen. Und außerdem war ihr nicht entgangen, daß der Fremen ihn mit dem Namen Liet angesprochen hatte. Liet war also Kynes' Alter Ego, wenn er sich unter den Fremen
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