Dune 01: Der Wüstenplanet
nennt ihr die kleine Maus, die hüpft?« fragte er und erinnerte sich gleichzeitig an das hopp-hopp, das ihn im Tuono-Becken so fasziniert hatte. Er verdeutlichte mit einer Hand, was er meinte.
Ein Grinsen ging durch die Reihen der Männer.
»Wir nennen sie Muad'dib«, sagte Stilgar.
Jessica schnappte nach Luft. Es war genau der Name, von dem Paul ihr erzählt hatte; von dem er behauptet hatte, daß die Fremen ihn unter diesem Namen anerkennen und bei sich aufnehmen würden. Sie hatte plötzlich Angst um und vor ihrem Sohn.
Paul schluckte. Ihm wurde schlagartig bewußt, daß er hier eine Rolle spielte, die er in seinem Bewußtsein bereits zahllose Male gespielt hatte ... und doch ... es gab einige Unterschiede. Er fühlte sich wie ein Mann auf einem hohen Berggipfel, der von finsteren, nebelverhangenen Abgründen umgeben ist.
Und erneut erinnerte er sich an die Vision fanatischer Legionen, die dem grünen Banner der Atreides folgten, die mordend und brennend durch das Universum rasten. Im Namen ihres Propheten Muad'dib.
Dies darf auf keinen Fall geschehen, sagte er sich.
»Ist das der Name, den du zu tragen wünschst – Muad'dib?« fragte Stilgar.
»Ich bin ein Atreides«, flüsterte Paul. Und dann, lauter: »Es ist nicht recht, daß ich völlig den Namen aufgebe, den mein Vater mir gab. Wäre es möglich, daß ich unter euch den Namen Paul Muad'dib trage?«
»Du bist Paul Muad'dib«, erwiderte Stilgar.
Und Paul dachte: Dies hat es in keiner meiner Visionen gegeben. Ich habe etwas verändert.
Aber er hatte weiterhin das Gefühl, daß er von Abgründen umgeben war.
Erneut begannen die Fremen zu murmeln: »Weisheit, gepaart mit Stärke ... Mehr kann man nicht verlangen ... Genau wie es in der Legende heißt ... Lisan al-Gaib ... Lisan al-Gaib ...«
»Ich werde dir etwas über deinen neuen Namen sagen«, erklärte Stilgar. »Die Wahl, die du getroffen hast, ehrt uns, denn Muad'dib beherrscht die Kunst, in der Wüste zu existieren. Muad'dib erzeugt sein eigenes Wasser. Muad'dib versteckt sich vor der Sonne und bewegt sich in der kühlen Nacht. Muad'dib ist fruchtbar und bevölkert das Land. Wir nennen Muad'dib den Lehrer der Jungen. Du hast eine gute Grundlage für das Leben in unserer Mitte geschaffen, Paul Muad'dib, der in unseren eigenen Reihen als Usul bekannt werden wird. Wir heißen dich willkommen.«
Stilgar berührte Pauls Stirn mit der Handfläche, zog sie zurück, umarmte ihn und sagte: »Usul.«
Kaum hatte Stilgar ihn aus seiner Umarmung entlassen, als der nächste Mann bereits heran war und dasselbe mit ihm tat. Auch er wiederholte Pauls neuen Truppennamen. Umarmung auf Umarmung folgte, und jeder der Fremen murmelte: »Usul ... Usul ... Usul.« Einige der Wüstenmänner kannte er bereits beim Namen. Und dann kam auch Chani, preßte sich an ihn und drückte ihre Wange gegen die seine.
Schließlich stand Paul wieder vor Stilgar, der sagte: »Du bist nun einer der Ichwanbeduinen – unser Bruder.« Seine Züge verhärteten sich plötzlich, und er fuhr fort, in einem Tonfall, der einem knappen Kommando glich: »Und jetzt, Paul Muad'dib, schließt du auf der Stelle deinen Destillanzug!« Er schaute zu Chani hinüber. »Chani! Paul Muad'dibs Nasenfilter sitzen so erbärmlich schlecht, wie ich es noch bei keinem Mann bisher gesehen habe! Sagte ich dir nicht, du solltest auf ihn achtgeben?«
»Ich hatte keine Möglichkeit, ihm bessere zu besorgen, Stil«, verteidigte sich das Mädchen. »Wir haben noch die von Jamis, aber ...«
»Genug davon!«
»Dann gebe ich ihm einen von meinen«, erwiderte Chani. »Ich kann mit einem Filter auskommen, bis wir ...«
»Das wirst du nicht«, sagte Stilgar. »Ich weiß doch, daß wir ein paar Ersatzfilter bei uns haben. Wo stecken sie? Her damit. Sind wir eine Truppe oder ein lausiger Räuberhaufen?«
Sofort streckten die Männer die Hände aus und reichten ihm das Gewünschte. Stilgar wählte vier Filter aus und gab sie Chani.
»Die sind für Usul und die Sayyadina.«
Einer der Männer fragte: »Was ist mit dem Wasser, Stil? Ich meine die Literjons in ihrem Gepäck?«
»Ich weiß, daß du etwas brauchst, Farok«, erwiderte Stilgar. Er warf Jessica einen Blick zu. Sie nickte zurück.
»Breche einen davon an, für diejenigen, die Wasser brauchen«, entschied Stilgar. »Wassermeister ... haben wir einen Wassermeister? Ah, Shirnoom, sorg du dafür, daß die Leute das Nötigste erhalten. Verschwende keinen Tropfen. Dieses Wasser ist die Mitgift der Sayyadina und
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