Dune 01: Der Wüstenplanet
Geschichten, die man den Kindern erzählte, noch nie gegeben. Es war der Stoff für eine neue Legende.
Eine Hand berührte seine Schulter.
Paul drehte den Kopf, folgte dem Arm bis zu Stilgars Gesicht mit den dunklen Augen, die beinahe unter der Kapuze verborgen lagen.
»Mein Vorgänger im Sietch Tabr«, sagte Stilgar, »war mein Freund. Wir haben gemeinsam die Gefahren überstanden. Er schuldete mir sein Leben mehrere Male. Und ich schuldete ihm das meine.«
»Ich bin ebenfalls dein Freund, Stilgar«, sagte Paul.
»Niemand bezweifelt das«, erwiderte Stilgar. Er zog seinen Arm zurück und zuckte mit den Achseln. »So ist es eben.«
Paul wurde klar, daß Stilgar zu sehr den Lebensgewohnheiten der Fremen unterworfen war, um sich andere Alternativen auch nur vorstellen zu können. Es war unter diesen Leuten üblich, die Führergewalt aus den Händen des Vorgängers zu empfangen, nachdem man ihn besiegt hatte. Starb ein Führer in der Wüste, kämpften die stärksten Männer des Stammes um seine Nachfolge. Auf diese Art war Stilgar zu einem Naib herangewachsen.
»Wir sollten diesen Bringer im tiefen Sand zurücklassen«, sagte Paul.
»Ja«, stimmte ihm Stilgar zu. »Von hier aus können wir zu der Höhle gehen.«
»Wir haben ihn jetzt so lange benutzt, daß er sich einen oder zwei Tage eingraben und verschnaufen wird.«
»Du bist der Mudir heute«, sagte Stilgar. »Du brauchst uns nur zu sagen, wann wir ...«
Er brach abrupt ab und starrte auf den östlichen Himmel.
Paul wirbelte herum. Die blaue Färbung seiner Augen, die das Gewürz hervorgerufen hatte, ließ den Himmel im ersten Moment dunkler erscheinen, als er war.
Ornithopter!
»Ein kleiner Thopter«, sagte Stilgar.
»Könnte ein Scout sein«, meinte Paul. »Glaubst du, daß er uns gesehen hat?«
»Auf diese Entfernung sieht er höchstens den Wurm«, gab Stilgar zurück. Er winkte den anderen mit der Linken zu. »Alles runter. Runter in den Sand!«
Die Männer glitten an den Seiten des Wurms hinab, sprangen in den Sand. Chani folgte ihnen. Plötzlich war er mit Stilgar allein auf dem Rücken.
»Ich war als erster oben und gehe als letzter hinunter«, sagte Paul.
Stilgar nickte und ließ sich mit den Haken an der Seite in die Wüste hinab. Paul wartete, bis er sicher sein konnte, daß die anderen sich genügend entfernt hatten; erst dann löste er seine Haken. Das war der gefährlichste Augenblick.
Von den ihn steuernden Haken befreit, begann der Wurm sich augenblicklich einzugraben. Paul rannte leichtfüßig über seinen langen Rücken dahin, wartete einen günstigen Moment ab und sprang.
Er landete glücklich, war sofort wieder auf den Beinen und rannte auf den Kamm der nächsten Düne zu, so wie man es ihm beigebracht hatte. Er warf sich über den Hügelrücken und verbarg sich unter einer Kaskade von Sand.
Und jetzt hieß es abwarten.
Vorsichtig wandte er sich um, lüftete die Robe und sah einen Ausschnitt des Himmels. Auch die anderen starrten nach oben.
Bevor er den Thopter sah, hörte er den Flügelschlag des Gefährts. Die Düsen gaben ein Geräusch von sich, das einem entfernten Flüstern ähnelte. Er überquerte den Abschnitt, in dem sie sich befanden, und drehte dann in einem weiten Kreis auf den Bergrücken zu.
Paul stellte fest, daß die Maschine keinerlei Insignien trug.
Sie verschwand über den Bergen des Habbanya-Rückens und gelangte außer Sichtweite.
Ein Vogelschrei erklang, dann ein weiterer.
Paul schüttelte den Sand von seinem Körper und erklomm den Dünenkamm. Er sah die Gestalten der anderen, die sich in einer langen Linie auf die Felsen zubewegten, und erkannte Chani und Stilgar.
Stilgar winkte ihm zu.
Kurz darauf hatte er die anderen erreicht, und sie glitten gemeinsam über den Sand, wobei sie sorgfältig darauf achteten, keinen bestimmten Rhythmus hervorzurufen. Stilgar näherte sich Paul und marschierte neben ihm.
»Es war eine Schmugglermaschine«, sagte er.
»Das erschien mir auch so«, bestätigte Paul. »Allerdings kann ich mir kaum vorstellen, daß sie sich so tief in die Wüste hineinwagen.«
»Sie haben auch ihre Schwierigkeiten mit den Patrouillen«, gab Stilgar zu bedenken.
»Das stimmt. – Es wäre nicht gut für sie, wenn sie allzuweit in die Wüste hinausgingen und dort Dinge sähen, die sie nicht sehen sollten. Die Schmuggler verkaufen auch Informationen.«
»Du glaubst nicht daran, daß sie hinter Gewürz her waren?« fragte Stilgar.
»Wenn das so ist, dann müssen sie auch irgendwo in
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