Dune 01: Der Wüstenplanet
angesehen. Sie gefallen mir schon besser.« Er kam näher und berührte ihren Arm, als bewundere er ihre aufrechte Haltung.
Nicht zum erstenmal fragte er sich, von wem sie abstammen mochte. Vom Haus eines Renegaten vielleicht? Oder war sie das Produkt einer unstandesgemäßen Verbindung? Sie machte einen königlicheren Eindruck als die gesamte kaiserliche Familie.
Unter dem Druck seiner Augen drehte Jessica sich halb zur Seite und wandte ihm ihr Profil zu. Es gab in ihrem Gesicht nichts, das die Aufmerksamkeit eines Betrachters in besonderer Weise auf sich zog. Unter ihrem wie eine Kappe den Kopf umspannenden, wie poliertes Kupfer glänzenden Haar war ein ovales Gesicht. Ihre Augen standen weit auseinander, und sie waren so grün und klar wie der Morgenhimmel Caladans. Die Nase war klein, ihr Mund groß und edel, der Körper ebenmäßig, wenn auch gerade an der Grenze zur Hagerkeit; Jessica war groß und überschlank.
Er erinnerte sich, daß die anderen Mädchen auf der Schule sie ›die Dürre‹ genannt hatten, die Beschreibung hatte sich als Übertreibung erwiesen: Jessica war es gelungen, wieder etwas Schönheit in die Familie Atreides zu bringen. Er empfand Genugtuung darüber, daß Paul in seinem Äußeren eher auf sie herauskam als auf ihn.
»Wo ist Paul?« fragte er.
»Irgendwo im Haus. Yueh unterrichtet ihn.«
»Möglicherweise im Südflügel«, vermutete er. »Einmal glaubte ich sogar Yuehs Stimme zu hören, aber ich hatte nicht die Zeit, um nachzusehen.« Er blickte sie an und zögerte. »Ich bin eigentlich nur herübergekommen, um den Schlüssel von Burg Caladan im Speisesaal aufzuhängen.«
Den Atem anhaltend, unterdrückte sie den Impuls, die Arme nach ihm auszustrecken. Den Schlüssel aufhängen ... das war gleichbedeutend mit Endgültigkeit. Aber jetzt war weder die richtige Zeit noch der richtige Ort, sich zu sorgen. »Als ich hereinkam, sah ich unsere Flagge über dem Haus wehen«, bemerkte sie.
Er warf einen Blick auf das Gemälde seines Vaters. »Wo willst du das aufhängen?«
»Irgendwo in diesem Raum.«
»Nein.« Die Art, wie er seine Ablehnung zum Ausdruck brachte, zeigte ihr, daß jeglicher Widerspruch fehl am Platze war. Dennoch mußte sie es versuchen.
»Mylord«, begann sie. »Wenn wir ...«
»Meine Antwort heißt nein. Ich bin bereit, dir in vielem anderen etwas zuzugestehen, aber in diesem Fall nicht. Ich komme gerade aus dem Speisesaal, und dort gibt es ...«
»Mylord! Bitte.«
»Es geht also darum, was wichtiger ist: mein Familiensinn oder deine Verdauung«, führte er aus. »Das Gemälde kommt dennoch in den Speisesaal.«
Sie seufzte. »Ja, Mylord.«
»Es steht dir allerdings frei, auch weiterhin in deiner Suite zu essen. Ich erwarte lediglich, daß du zu offiziellen Anlässen an meiner Seite sitzt.«
»Vielen Dank, Mylord.«
»Und hör damit auf, mir diese formalistischen Antworten zu geben. Du solltest dankbar dafür sein, daß ich dich nie geheiratet habe, meine Liebe. Denn dann würde es zu deinen Pflichten gehören, das Mahl mit mir einzunehmen.«
Ohne auch nur einen Gesichtsmuskel zu verziehen, nickte sie. »Hawat hat bereits unseren Giftaufspürer an der Tafel befestigt«, erklärte er. »In deiner Suite steht ein tragbares Gerät.«
»Du hast diese ... Schwierigkeiten also schon vorausgesehen«, sagte Jessica.
»Ich dachte ebenso an deine Bequemlichkeit, meine Liebe, und habe deshalb Personal engagiert. Es sind Eingeborene, doch Hawat hat sie ausnahmslos untersucht. Fremen. Sie werden uns zur Hand gehen, bis wir unsere eigenen Leute von momentanen anderen Pflichten befreien können.«
»Können wir hier überhaupt jemandem vertrauen?«
»Jedem, der die Harkonnens haßt. Vielleicht möchtest du nach einer gewissen Zeit sogar die Haushofmeisterin in deinen Diensten behalten. Sie nennt sich Shadout Mapes.«
»Shadout«, sagte Jessica nachdenklich, »ist das nicht eine Art Titel bei den Fremen?«
»Ich habe gehört, daß es soviel wie ›Wasserholer‹ bedeutet. Ein Wort, das eine wichtigere Bedeutung hat, als man sich vorstellen kann. Sie ist vielleicht nicht die typische Untergebene, aber nach Duncans Berichten spricht Hawat von ihr als von einer ehrenhaften Person. Sie sind beide davon überzeugt, daß sie willig ist zu dienen – ganz speziell dir.«
»Mir?«
»Die Fremen wissen, daß du eine Bene Gesserit bist. Es gibt hier einige Legenden über euch.«
Dafür hat die Missionaria Protectiva gesorgt, dachte Jessica. Jede Welt ist
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