Dune 01: Der Wüstenplanet
es einmal soweit ist, dann tu es so, wie du es kannst. Mit Schneide oder Klinge.« Er sah zum Oberlicht hinauf, auf das der Regen trommelte.
Dem Blick seines Vaters folgend, erinnerte sich Paul an den feuchten Himmel dort draußen – ein Ereignis, das es auf Arrakis noch nie gegeben hatte. Und der Gedanke daran führte ihn mental in den Raum hinaus. »Sind die Gildenschiffe wirklich so groß?« fragte er.
Der Herzog sah ihn an. »Ich vergaß, daß du Caladan zum erstenmal verläßt.« Er nickte. »Ja, sie sind sehr groß. Sie sind so riesig, daß alle unsere Fregatten und Transporter zusammengenommen nur einen Bruchteil der Ladekapazität eines Heighliners der Gilde beanspruchen.«
»Und wir brauchen unsere Fregatten nicht allein zu lassen?«
»Ihre Sicherheit ist im Preis inbegriffen. Selbst wenn die Schiffe der Harkonnens direkt neben uns lägen, brauchten wir uns keine Gedanken zu machen. Die Harkonnens würden sich hüten, ihre Raumfahrtprivilegien aufs Spiel zu setzen.«
»Ich würde gerne einmal von einem Bildschirm aus versuchen, einen Gildenmann zu sehen.«
»Das wird kaum möglich sein, denn nicht einmal ihre Beauftragten bekommen sie je zu Gesicht. Die Gilde hütet ihr Privatleben ebenso scharf wie ihr Monopol. Ich hoffe, du tust nichts, was unsere Privilegien aufs Spiel setzen könnte, Paul.«
»Hältst du es für möglich, daß sie sich verstecken, weil ... weil sie mutiert sind und – nicht mehr menschlich? «
Der Herzog zuckte mit den Achseln. »Wer weiß? Auf jeden Fall umgibt sie ein Geheimnis, hinter das noch niemand gekommen ist. Aber im Moment haben wir andere Probleme. Und eines davon bist du.«
»Ich?«
»Deine Mutter wünschte, daß ich es dir sage, Junge. Wir schließen nicht aus, daß du die Fähigkeiten eines Mentaten hast.«
Paul starrte seinen Vater an und war zunächst unfähig, etwas zu erwidern. Dann fragte er überrascht: »Ein Mentat? Ich? Aber das ...«
»Selbst Hawat ist dieser Ansicht.«
»Aber ... ich habe immer angenommen, daß die Ausbildung eines Mentaten bereits in seiner frühesten Kindheit beginnen muß – und daß er niemals etwas davon erfahren darf, weil dieses Wissen ...« Er brach abrupt ab, sich plötzlich bewußt werdend, welche Erziehung er genossen hatte.
»Jetzt wird mir einiges klar«, sagte er schließlich.
»An irgendeinem Tag muß der zukünftige Mentat es schließlich erfahren, was mit ihm geschehen ist. Von da an gibt es keine Heimlichkeiten mehr, und die weitere Ausbildung kann nur mit seinem Wissen weitergeführt werden. Manche setzen sie fort; andere schrecken davor zurück. Nur ein geborener Mentat ist in der Lage, den richtigen Weg für sich zu wählen.«
Paul rieb sich mit der Hand übers Kinn. Die ganze Ausbildung durch Hawat und seine Mutter – das Gedächtnistraining, die ständigen Hinweise auf die Wachsamkeit, die Muskelübungen, die richtige Benutzung seiner Sinne, die Sprach- und Stimmstudien – alles erschien ihm jetzt in einem völlig neuen Licht.
»Eines Tages«, sagte der Herzog, »wirst du der Herzog sein, mein Sohn. Und etwas Nützlicheres als einen Mentat-Herzog kann ich mir einfach nicht vorstellen. Bist du in der Lage, dich jetzt schon zur Weiterausbildung zu entscheiden? Oder brauchst du etwas Bedenkzeit?«
Ohne zu zögern sagte Paul: »Natürlich mache ich weiter.«
»Das freut mich«, murmelte der Herzog. Paul sah, wie sich ein stolzes Lächeln auf das Gesicht seines Vaters stahl. Aber das Lächeln schockierte ihn: es erschien ihm in diesem Augenblick wie das Grinsen eines Totenschädels. Paul schloß die Augen und fühlte erneut, daß er einem schrecklichen Schicksal entgegentrieb. Vielleicht erfülle ich dieses Schicksal, indem ich Mentat werde?
Aber noch während des Nachdenkens wurde ihm klar, daß er auf der falschen Fährte war.
7
Durch Lady Jessica und den Planeten Arrakis gelangte das Bene-Gesserit-System der Missionaria Protectiva (die Verbreitung von Legenden betreffend) schnell zu vollster Blüte. Das vorbeugende Ausstreuen von Gerüchten über das Erscheinen des Kwisatz Haderach im gesamten bekannten Universum ist anerkennend gewürdigt worden. Nie hat es eine Kampagne gegeben, deren Verbreitung in bezug auf Vorbereitung besser gewesen wäre. Und im Endeffekt führte dies sogar dazu, daß sich Legenden von selbst zu bilden begannen. Heute steht jedenfalls fest, daß die latenten Fähigkeiten der Lady Jessica weit unterschätzt wurden.
Aus ›Die Analyse der Arrakis-Krise‹,
von Prinzessin
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