Dune 01: Der Wüstenplanet
anfertigen lassen von einem berühmten Künstler namens Albe, es zeigte den alten Herzog in seinen mittleren Jahren, bekleidet mit dem Kostüm eines Matadors, einen roten Umhang über dem linken Arm haltend. Sein Gesicht wirkte jung, er mußte damals kaum älter gewesen sein als Leto. Er hatte die gleichen falkenähnlichen Züge und grauen Augen wie sein Sohn. Die Hände in die Seiten gestemmt, betrachtete sie das Bild.
»Ich verfluche dich! Ich verfluche dich!« flüsterte sie.
»Wie lauten Ihre Befehle, Hochwohlgeboren?«
Die Stimme einer Frau. Sie klang dünn und brüchig.
Als Jessica sich ihr zuwandte, sah sie eine knochige, grauhaarige Frau in einem formlosen Sackkleid brauner Farbe. Sie machte den gleichen ausgetrockneten und runzligen Eindruck wie all die anderen Leute, die sie am Morgen ihrer Ankunft in den Straßen gesehen hatte. Obwohl Leto behauptet hatte, sie seien stark und vital, erinnerten sie Jessica in erster Linie an Elendsgestalten. Aber da waren noch diese Augen – unübersehbar – in ihrer schockierenden, völligen Bläue und ohne jegliches Weiß. Geheimnisvoll. Mysteriös. Jessica mußte sich dazu zwingen, die Frau nicht anzustarren.
Mit einem steifen Nicken sagte die Frau: »Man nennt mich Shadout Mapes, Hochwohlgeborene. Wie lauten Ihre Befehle?«
»Du kannst mich mit Mylady ansprechen«, sagte Jessica. »Ich bin keine Hochwohlgeborene. Ich bin lediglich die Konkubine des Herzogs.«
Die Frau nickte erneut in ihrer seltsamen Art und musterte Jessica mit einem fragenden Blick. »Dann gibt es auch eine Ehefrau?«
»Es gibt sie nicht; es hat auch nie eine gegeben. Ich bin die einzige ... Gesellschaft des Herzogs und die Mutter seines Erben.«
Während sie sprach, lauschte Jessica dem stolzen Klang ihrer Worte. Was hat St. Augustine gesagt? fragte sie sich. ›Das Bewußtsein steuert den Körper, und dieser gehorcht. Wenn das Bewußtsein sich selbst befiehlt, trifft es auf Widerstand.‹ – Ja, ich stoße auf ständig größeren Widerstand. Ein kleiner Rückzug könnte mir nicht schaden.
Von draußen drang ein erschreckender Schrei an ihre Ohren. Dann noch einmal: »Soo-soo-Sook! Soo-soo-Sook!« Dann: »Ikhut-eigh! Ikhut-eigh!« Und schließlich wieder: »Soo-soo-Sook!«
Erschreckt fragte sie: »Was hat das zu bedeuten? Ich habe das bereits mehrere Male gehört, als wir durch die Stadt fuhren heute morgen.«
»Nur ein Wasserverkäufer, Mylady. Es gibt keinen Grund für Sie, sich darüber Gedanken zu machen. Die Zisterne Ihrer Residenz enthält fünfzigtausend Liter, und man trägt Sorge dafür, daß sie niemals leer wird.« Sie sah an ihrer Kleidung herunter. »Ich brauche hier nicht einmal meinen Destillanzug zu tragen.« Sie lächelte. »Und lebe trotzdem noch.«
Jessica zögerte, die Frau noch weiter über sich auszufragen. Im Moment gab es nichts Wichtigeres, als einigermaßen Ordnung in diese Burg hineinzubekommen. Daß Wasser allerdings einen beträchtlichen Teil ihres neuen Reichtums ausmachen sollte, fand sie nicht sehr beruhigend.
»Der Herzog hat mir von deinem Titel erzählt, Shadout«, sagte sie. »Ich kenne die Bedeutung dieses Wortes. Es ist sehr alt.«
»Sie beherrschen die alten Sprachen?« fragte Mapes. Beinahe begierig schien sie auf Jessicas Antwort zu warten.
»Das erste, was die Bene Gesserit lernen, sind Sprachen. Ich kenne die Sprache der Bhotani Jib und die der Chakobsa, aber auch alle Jägersprachen.«
Mapes nickte. »Genau wie die Legende behauptet.«
Jessica fragte sich: Warum spiele ich überhaupt diese Komödie mit? Aber die Wege der Bene Gesserit waren rätselhaft und unerforschlich.
»Ich kenne die Dunklen Ereignisse und die Wege der Großen Mutter«, fuhr Jessica fort und erkannte die offen sichtbare Wirkung auf diese kleinen Tricks in Mapes' Gesicht. »Miseces prejia«, sagte sie in der Sprache der Chakobsa. »Andral t're pera! Trada cik buscakri miseces perakri ...«
Mapes machte einen Schritt rückwärts, als bereite sie sich auf eine schnelle Flucht vor.
»Ich weiß viele Dinge«, sagte Jessica. »Ich weiß, daß du Kinder geboren hast und Geliebte verlorst, daß du dich in Furcht versteckt hieltest und daß du Gewalttätigkeiten begangen hast und weiter begehen wirst. Ich weiß viele Dinge.«
Leise erwiderte Mapes: »Ich hatte nichts Böses vor, Mylady.«
»Du bist auf der Suche nach den Antworten auf die Legenden«, fuhr Jessica fort. »Aber sei vorsichtig, welche Antworten du auch finden wirst. Ich weiß, daß du eine Waffe an dir
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