Dune 01: Der Wüstenplanet
begannen die Leute sich wieder zu entspannen.
Wo Kynes führt, dachte Jessica, folgen ihm die Leute. Und nun hat er uns zu verstehen gegeben, daß er auf Pauls Seite steht. Was ist das Geheimnis seiner Macht? Es kann nicht nur allein darauf zurückzuführen sein, daß er der Schiedsmann ist. Diese Position ist nicht von Dauer. Und es kann auch nicht daran liegen, daß er ein Zivilbediensteter ist.
Ihre Hand löste sich von dem Messer. Sie nahm ihre Flasche und prostete Kynes damit zu. Er wiederholte diese Geste mit größter Freundlichkeit.
Lediglich Paul und der Bankmann ( Soo-Soo! Welch ein idiotischer Spitzname! dachte Jessica) hielten die Hände frei. Noch immer war die Aufmerksamkeit des Gildenmannes auf Kynes konzentriert. Paul sah auf seinen Teller.
Ich habe mich korrekt verhalten, dachte Paul. Welchen Grund hatten sie, mich zu unterbrechen? Unmerklich schaute er den männlichen Gästen in seiner Umgebung zu. Sollte ich mit einem Angriff rechnen? Von wem? Sicherlich nicht von diesem Bankfritzen.
Halleck hob den Kopf und sagte, quer über die Tafel hinweg, ohne offensichtlich jemand bestimmtes zu meinen: »In unserer Gesellschaft sollten die Leute sich hüten, allzuschnell in die Offensive zu gehen. Es könnte sich als selbstmörderisch erweisen.« Er sah die Tochter des Destillanzugfabrikanten, die direkt neben ihm saß, an und fügte hinzu: »Oder glauben Sie nicht, Miß?«
»O ja. Ja. Das glaube ich in der Tat«, erwiderte sie. »Es gibt schon genug Gewalt in der Welt. Sie macht mich krank. Und es kommt sehr oft vor, daß jemand gar nicht die Absicht hat, Gewalt anzuwenden und trotzdem an ihr stirbt. All das hat doch gar keinen Sinn.«
»Da haben Sie recht«, gab Halleck zu.
Jessica, der die beinahe perfekte Verhaltensweise der jungen Frau auffiel, dachte: So hohlköpfig wie ich sie eingeschätzt habe, ist sie überhaupt nicht. Aber offenbar hatte sie diese Anzeichen drohender Gefahr nicht allein bemerkt: auch Halleck schien sich der Tatsache bewußt geworden zu sein, daß der Gegner vorhatte, Paul mit Sex zu ködern. Jessica entspannte sich. Möglicherweise war Paul sogar der erste gewesen, der dies herausgefunden hatte. Es war unmöglich, daß seine Bene-Gesserit-Ausbildung in dieser Hinsicht versagen konnte.
Dem Bankmann zugewandt, sagte Kynes: »Ist da nicht noch eine Entschuldigung fällig?«
Mit einem kränklichen Lächeln wandte sich der Zurechtgewiesene an Jessica. »Ich fürchte, Mylady, ich habe Ihren vorzüglichen Weinen etwas zu sehr zugesprochen. Sie haben einen guten Tropfen kredenzt, aber leider vertrage ich nicht allzuviel davon.«
Die unterschwellige Bosheit in den Worten des Mannes war für Jessicas Ohren unüberhörbar, aber dennoch sagte sie in einem zuckersüßen Tonfall: »Wenn Fremde einander treffen, sollte man die größten Rücksichten auf ihre Sitten und Gebräuche nehmen.«
»Ich danke Ihnen, Mylady«, sagte der Bankvertreter.
Die dunkelhaarige Begleiterin des Destillanzugfabrikanten beugte sich zu Jessica hinüber und sagte: »Der Herzog sprach davon, daß wir hier in Sicherheit seien. Ich hoffe, dies bedeutet nicht, daß noch mehr gekämpft wird.«
Man hat ihr aufgetragen, die Konversation in diese Richtung zu lenken, dachte Jessica.
»Es wird nichts Besonderes gewesen sein«, gab sie zurück. »Wissen Sie, in diesen Zeiten gibt es allerhand Dinge zu erledigen, bei denen die persönliche Anwesenheit des Herzogs leider nicht zu umgehen ist. Solange eine Feindschaft zwischen den Harkonnens und den Atreides besteht, können wir uns nicht sicher fühlen. Der Herzog hat einen Kanly ausgesprochen. Das bedeutet natürlich auch, daß er keinen einzigen Agenten der Harkonnens auf Arrakis am Leben lassen kann.« Sie sah den Bankvertreter an. »Und die Konvention ist dabei natürlich auf seiner Seite.« Ihr Blick wanderte zu Kynes. »Ist es nicht so, Dr. Kynes?«
»So ist es in der Tat«, erwiderte der Planetologe.
Der Fabrikant zog seine Begleiterin sanft zurück. Während sie ihn ansah, meinte sie: »Ich glaube, ich möchte jetzt doch noch etwas essen. Ich hätte gerne etwas von diesem Vogel, den Sie vorhin auftragen ließen.«
Jessica instruierte einen Bediensteten und sagte zu dem Bankmann: »Sie haben doch vorhin etwas von diesen Vögeln und ihrer Verhaltensweise erzählt, Sir. Meiner Meinung nach gibt es auf Arrakis wirklich viele interessante Dinge. Können Sie mir sagen, an welchen Orten das Gewürz gefunden wird? Gehen die Jäger weit in die Wüste hinaus?«
»O
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