Dune 01: Der Wüstenplanet
entsprechende Vorsichtsmaßnahmen.«
Speziell die Lasguns gingen ihr nicht aus dem Sinn. Die heißen, hellen Strahlen dieses alles zerreißenden Lichtes waren in der Lage, jede bekannte Substanz zu zerschneiden, vorausgesetzt, sie war nicht durch einen Schild geschützt. Die Tatsache, daß die Rückkopplung eines Schildes sowohl ihn als auch eine Lasgun zur Explosion bringen konnte, schien die Harkonnens nicht zu stören. Wieso nicht? Die Explosion eines von einer Lasgun getroffenen Schildes konnte schlimmere Auswirkungen haben als die Zündung einer Kernwaffe: sie tötete in jedem Fall nicht nur das hinter dem Schild verborgene Ziel, sondern auch den Schützen.
Die vielen Unbekannten in dieser Rechnung erfüllten sie mit Besorgnis.
Paul sagte: »Ich habe niemals daran gezweifelt, daß wir den Carryall finden. Wenn mein Vater einmal ein Problem anpackt, löst er es auch. Das ist eine Tatsache, die die Harkonnens sich hinter die Ohren schreiben sollten.«
Er ist prahlerisch, dachte Jessica. Das sollte er nicht sein. Niemand, der in dieser Nacht über keinen Schutz gegen eine Lasgun verfügt, hat das Recht, solche stolzen Worte auszusprechen.
17
»Es gibt keine Rettung – wir haben für die Gewalttätigkeit unserer Vorfahren zu zahlen.«
Aus ›Gesammelte Weisheiten des Muad'dib‹,
von Prinzessin Irulan
Als Jessica den Tumult in der Großen Halle hörte, schaltete sie das Licht neben ihrem Bett an. Da die Uhr noch nicht auf die örtliche Zeit umgestellt war, mußte sie einundzwanzig Minuten abziehen, um zu wissen, daß es etwa zwei Uhr früh war.
Der Tumult war laut und unzusammenhängend.
Haben die Harkonnens angegriffen? fragte sie sich.
Sie schlüpfte aus dem Bett und schaltete die Wandmonitore ein, um Klarheit darüber zu erhalten, wo ihre Familie war. Der Bildschirm zeigte Paul schlafend in dem tiefen Kellerraum, den man in aller Eile als Schlafraum für ihn hergerichtet hatte. Möglicherweise drang der Lärm nicht bis zu ihm durch. Das Zimmer des Herzogs war leer, das Bett unberührt. War er immer noch am Landefeld draußen?
Da es keine Bildschirme gab, die das Haus von außen zeigten, blieb Jessica in der Mitte ihres Schlafraums stehen und horchte. Jemand schrie. Dann rief eine andere Stimme nach Dr. Yueh. Jessica tastete nach einer Robe, zog sie über die Schultern, schlüpfte in ein Paar Schuhe und befestigte das Crysmesser an ihrem Oberschenkel.
Wieder wurde nach Dr. Yueh gerufen.
Sie verschloß den Umhang mit einem Gürtel und trat auf den Gang hinaus. Plötzlich dachte sie: Was ist, wenn der Verletzte Leto ist?
Sie lief, und unter ihren Füßen schien der lange Korridor überhaupt kein Ende mehr nehmen zu wollen. Sie passierte die Tür an seinem Ende, ließ den Speisesaal hinter sich und rannte in die Große Halle hinunter, die in glänzendem Licht erstrahlte. Die Wandbeleuchtungen waren auf größte Intensität geschaltet.
Zu ihrer Rechten, in der Nähe des Haupteingangs, erblickte sie zwei Wachen, die Duncan Idaho zwischen sich hielten. Der Kopf des Mannes sank nach vorne, dann senkte sich eine abrupte, nur von hastigem Keuchen unterbrochene Stille über die Szenerie.
Einer der Wächter sagte in einem anklagenden Tonfall zu Idaho: »Sehen Sie nun, was Sie angerichtet haben? Lady Jessica ist aufgewacht.«
Die hinter den Männern sich bewegenden Gardinen deuteten an, daß der Haupteingang nicht verschlossen war. Von Dr. Yueh und dem Herzog keine Spur. Mapes stand in der Nähe und musterte Idaho kalt. Sie trug eine lange, braune Robe, von Streifen durchsetzt. Ihre Beine steckten in Wüstenstiefeln.
»Ich habe also Lady Jessica aufgeweckt«, murmelte Idaho. Er hob den Kopf, blickte an die Decke und bellte: »Das erste Blut leckte mein Schwert auf Grumman!«
Große Mutter! dachte Jessica. Er ist betrunken!
Idahos finsteres Gesicht erschien ihr wie eine verzerrte Maske. Sein Haar, das an den Pelz eines schwarzen Bären erinnerte, war voller Schmutz, ein gezackter Riß in seiner Tunika. Der Zustand seiner Kleidung war mit dem, den sie vor dem Dinner gehabt hatte, nicht mehr zu vergleichen.
Jessica ging auf ihn zu.
Eine der Wachen nickte ihr zu, ohne Idaho loszulassen. »Wir wußten nicht, was wir mit ihm tun sollten, Mylady. Er hat zuerst draußen angefangen, Krach zu schlagen, und lehnte es ab, hereinzukommen. Wir befürchteten, daß irgend jemand vorbeikommen und ihn sehen könnte. Das konnten wir nicht zulassen. Bitte nehmen Sie uns das nicht übel.«
»Wo ist er gewesen?«
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