Dune 03: Die Kinder des Wüstenplaneten
deiner teuflischen Tricks an mir, Bursche«, sagte Halleck streng. »Ich bin gegen jeden gewappnet. Ich befolge die Befehle Ihrer Großmutter. Sie hat Ihre Ausbildung bis ins kleinste Detail geplant und war mit der Auswahl Namris einverstanden. Auch das, was als nächstes auf Sie zukommt – so schmerzlich es auch sein mag –, geschieht auf ihre Anweisung hin.«
»Und was hat sie angewiesen?«
Halleck zog eine Hand aus den Falten seiner Robe und zeigte einen fremenitischen Injektor. Er war zwar primitiv, aber effizient. In der transparenten Röhre befand sich eine blaue Flüssigkeit.
Leto machte einen Satz nach hinten, aber die Felswand unterband weitere Fluchtversuche auf der Stelle. Er hatte sich kaum bewegt, als Namri hereinkam, sich neben Halleck stellte und eine Hand auf den Griff seines Crysmessers legte. So wie die beiden Männer jetzt standen, blockierten sie den einzigen Ausgang.
»Ich stelle fest, daß du die Gewürzessenz erkannt hast«, sagte Halleck. »Wir begeben uns jetzt auf einen Trip, mein Junge. Es gibt keinen anderen Weg. Wenn du dich weigerst, das zu tun, was dein Vater wagte, wirst du dein Leben lang darunter zu leiden haben.«
Leto schüttelte wortlos den Kopf. Dies war genau die Situation, die sie beide, weder Ghanima noch er durchstehen konnten. Dieser Gurney war ein ignoranter Narr! Wie konnte Jessica nur ... In seinem Bewußtsein tauchte plötzlich die Gegenwärtigkeit seines Vaters auf. Er drängte sich in seinen Geist und versuchte, die Abwehrgefühle zu durchbrechen. Leto wollte in hellem Entsetzen aufschreien, aber kein Laut drang über seine Lippen. Hier ging es um genau das, was sein Vorgeborenen-Bewußtsein am allermeisten fürchtete. Sie wollten ihn dazu zwingen, sich einer Gewürztrance hinzugeben, um eine unwandelbare Zukunft mit all ihren Schrecknissen zu erkennen. Nicht einmal Jessica konnte so schlecht sein, ihren Enkel einem solchen Schicksal auszusetzen. Dennoch war ihre Gegenwart in seinem Geist verschwommen zu erkennen. Die Litanei gegen die Furcht schwoll in Letos Kopf zu einem übermächtigen Dröhnen an: ›Ich darf mich nicht fürchten. Die Furcht tötet das Bewußtsein. Sie ist der kleine Tod, der die Vernichtung bringt. Ich will meiner ins Auge schauen. Ich will ihr erlauben, mich zu durchdringen und ...‹
Mit einem Fluch, der bereits uralt gewesen war, als Chaldäa noch in voller Blüte stand, versuchte Leto zu entwischen – aber seine Muskeln waren wie taub. Als hätte ihn die Trance bereits ergriffen, sah er, wie sich Hallecks Hand bewegte und den Injektor hob. Im Licht der Globen leuchtete die blaue Flüssigkeit auf. Der Injektor berührte Letos linken Arm. Eine Schmerzwelle durchbohrte ihn und schoß bis in seine Halsmuskeln hinauf und dann in seinen Kopf.
Plötzlich sah er eine junge Frau, die vor einer primitiven Hütte im Morgenlicht saß. Sie saß ihm genau gegenüber und röstete Kaffeebohnen, die sie mit Cardamom und Melange vermischte. Irgendwo hinter ihm erklang das Krächzen eines Raben. Der Klang wiederholte und wiederholte sich, bis er endlich in sein Bewußtsein drang, ohne aufzuhören. Er übergoß seinen Körper, und er fühlte sich plötzlich groß, ungeheuer groß und überhaupt nicht mehr wie ein Kind. Aber die Haut, die er trug, war nicht die seine. Er kannte diese Empfindung! Es war nicht seine Haut. Wärme durchpulste seinen Körper. So abrupt, wie diese Vision gekommen war, fand er sich plötzlich in der Dunkelheit wieder. Es war Nacht. Sterne fielen wie glühende Funken scharenweise durch den Kosmos.
Obwohl ein Teil seines Ichs wußte, daß er keine Möglichkeit des Entkommens hatte, kämpfte der andere dagegen an. Dann fühlte er wieder die Gegenwart seines Vaters. »Ich werde dich beschützen, solange du hilflos bist. Niemand wird dir etwas tun.«
Der Wind warf Leto um. Er fiel hin und rollte über den Boden. Der Wind zischte, überschüttete ihn mit Staub und Sand, riß an seinen Armen und seinem Gesicht, zerrte ihm die Kleider vom Leibe und ließ die Stoffreste flattern. Aber er fühlte keinen Schmerz. Er rollte, vom Wind getrieben, dahin. Und die Haut, die er trug, war nicht seine eigene.
Es wird geschehen! dachte er.
Aber der Gedanke schien aus weiter Ferne zu kommen, als sei auch er nicht sein eigener Gedanke, genausowenig wie die Haut die seine war.
Die Vision absorbierte ihn. Sie wurde zu einer mehrdimensionalen Erinnerung, die Vergangenheit und Gegenwart, Zukunft und Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit umfaßte.
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