Dune 03: Die Kinder des Wüstenplaneten
erneut: »Welche Prüfung? Was hat er damit gemeint?«
Aber Leto hielt sich schon nicht mehr in Shuloch auf. Und Paul verweigerte ihm jede Antwort.
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Kirche und Staat, wissenschaftliche Lehre und Glaube, das Individuum und die Gemeinschaft, selbst Fortschritt und Tradition – all das findet sich in den Lehren Muad'dibs. Er lehrte uns, daß es, außer im Glauben der Menschen, keine unversöhnlichen Gegensätze gibt. Jedermann kann den Strom der Zeit umleiten. Man kann die Zukunft in der Vergangenheit oder in der eigenen Vorstellungskraft entdecken. Indem man das tut, gewinnt man das Bewußtsein seiner Seele zurück. Und dann weiß man, daß das Universum ein zusammenhängendes Ganzes ist, von dem man selbst nicht abteilbar ist.
Der Prediger in Arrakeen,
nach Harq al-Ada
Ghanima saß weit außerhalb des Lichtkreises der Gewürzlampen und beobachtete Buer Agarves. Ihr gefiel weder sein rundes Gesicht noch das gelegentliche Hochziehen seiner Augenbrauen. Zudem bewegte er die Füße, wenn er sprach, als wären seine Worte eine versteckte Musik, nach der er tanzte.
Er ist nicht hier, um mit Stil zu verhandeln, sagte sie sich. Sie sah es in jedem Wort und jeder Bewegung, die der Mann machte und zog sich noch etwas weiter zurück.
Jeder Sietch verfügte über einen Versammlungsraum wie diesen, aber die Halle der verlassenen Djedida hatte Ghanima auf den ersten Blick schon nicht gefallen. Sie war zu niedrig. Sechzig Mann von Stilgars Gruppe befanden sich in ihr, dazu die neun, die mit Agarves gekommen waren: Dennoch füllten sie nur einen kleinen Teil des Raums aus. Gewürzöllampen sorgten für eine einigermaßen erträgliche Helligkeit und warfen unheimliche Schatten an die Wände. Das brennende Gewürz erfüllte die Luft mit seinem starken Zimtgeruch.
Die Zusammenkunft hatte nach Beendigung der Feuchtigkeitsgebete und dem Abendessen begonnen. Jetzt redete man bereits länger als eine Stunde, und Ghanima war sich immer noch nicht über die wahren Gründe von Agarves' Hiersein im klaren. Seine Worte schienen klar genug zu sein, aber sein Blick und seine Bewegungen stimmten nicht mit ihnen überein.
Agarves sprach im Moment und beantwortete die Frage einer Unterführerin. Sie war eine Nichte Harahs, hieß Rajia und hatte den Körper einer dunkelhäutigen, asketisch wirkenden jungen Frau, deren Mundwinkel nach unten gezogen waren und schon allein deswegen mißtrauisch erschienen. Den Umständen entsprechend fand Ghanima diesen Gesichtsausdruck allerdings angemessen.
»Ich bin sicher, daß Alia euch allen ihre hundertprozentige Gnade widerfahren läßt«, sagte Agarves. »Sonst wäre ich gar nicht erst hergekommen.«
Als Rajia etwas erwidern wollte, wurde sie von Stilgar unterbrochen. »Ich mache mir weniger Gedanken darüber, ob ich ihr vertrauen kann, als darüber, ob sie dir traut.« Seine Stimme klang ein wenig brummig. Es schien ihm nicht zu gefallen, den einmal aufgegebenen Status wieder aufnehmen zu sollen.
»Es ist unerheblich, ob sie mir traut«, sagte Agarves. »Um ganz ehrlich zu sein, ich glaube es selbst nicht. Ich habe schließlich lange genug erfolglos nach euch suchen müssen. Aber ich bin die ganze Zeit über das Gefühl nicht losgeworden, daß sie euch in Wirklichkeit gar nicht fangen wollte. Sie war ...«
»Sie war die Frau des Mannes, den ich tötete«, fiel Stilgar ein. »Ich bin sicher, daß er mich mit Absicht dazu provozierte. Genausogut hätte er zwar in sein eigenes Messer fallen können, aber ...«
Agarves ließ seine Füße tanzen. Er sah ärgerlich drein. »Sie vergibt dir! Wie oft muß ich dir das noch sagen? Sie hat die Priester dazu veranlaßt, eine große Vorstellung zu geben, in der sie die göttliche ...«
»Du hast nur eine neue Frage aufgeworfen.« Das war Irulan, die sich jetzt an Rajia vorbeibeugte. »Sie hat zwar dich überzeugt, aber woher wollen wir wissen, ob sie nicht dennoch andere Pläne verfolgt?«
»Die Priesterschaft hat ...«
»Aber da sind all diese Geschichten«, unterbrach Irulan ihn, »die besagen, daß du mehr bist als nur ihr militärischer Berater. Daß du ihr ...«
»Genug!« Agarves war außer sich vor Zorn und seine Hand bewegte sich in verdächtiger Nähe seines Messers. Kampflustige Gefühle wurden in seinem verzerrten Gesicht erkennbar. »Glaubt, was ihr wollt, aber bringt mich nicht mit dieser Frau in Verbindung! Sie betrügt mich! Sie beschmutzt alles, was sie berührt! Ich bin nur ein Werkzeug. Ich bin beschmutzt. Aber ich habe noch
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