Dune 03: Die Kinder des Wüstenplaneten
aufwallte und rief sich ins Gedächtnis zurück, wie schwer es seinem Vater gefallen war, sich aller fleischlichen Gelüste zu entsagen. War Ghanima nun in dieser Schattenwelt, in der er sich bis vor kurzem ebenfalls noch befunden hatte, zurückgeblieben?
»Ich würde dich verachten, Mutter«, sagte er.
»Aber andere verachten mich nicht«, erwiderte sie. »Sei mein Geliebter.«
»Wenn ich das täte ... ihr wißt, was dann aus euch beiden würde«, sagte Leto. »Mein Vater würde euch ebenfalls verachten.«
»Niemals!«
»Doch, das werde ich!«
Die Stimme, die diese Worte ausstieß, trug alle Charakteristika, die, wie Leto wußte, Paul von seiner Mutter gelernt hatte.
»Sag das nicht«, stöhnte sie.
»Ich werde dich verachten!«
»Bitte ... bitte, sag das nicht.«
Leto griff sich an die Kehle und stellte fest, daß die Muskeln allmählich wieder seinem Willen gehorchten. »Er wird dich verachten und sich von dir abwenden. Er wird erneut in die Wüste zurückkehren.«
»Nein ... nein ...«
Sie schüttelte heftig den Kopf.
»Du mußt jetzt gehen, Mutter«, wiederholte er.
»Nein ... nein ...« Aber ihre Stimme verlor bereits an Kraft.
Leto beobachtete das Gesicht seiner Schwester. Wie ihre Muskeln zuckten! Die Emotionen, die sie erfüllten, mußten die reinste Folter sein.
»Geh«, flüsterte er. »Geh!«
»Nein-i-i-n ...«
Er ergriff ihren Arm und fühlte, wie das Blut durch ihre Adern raste. Die Muskeln pulsierten. Sie keuchte, versuchte sich seinem Griff zu entwinden, aber er hielt sie fest und flüsterte: »Geh ... geh ...!«
Und die ganze Zeit über, während er dies sagte, verfluchte Leto die Tatsache, daß es ihm auch diesmal wieder gelungen war, seine Schwester zu diesem Elternspiel zu überreden. Es entsprach der Wahrheit, daß Frauen anfälliger gegen innere Angriffe dieser Art waren. Und zurückzuführen war es auf die Ängste der Bene Gesserit.
Es dauerte Stunden, in denen Ghanimas Körper wie unter imaginären Peitschenhieben zuckte, aber dann schien sich die innere Schlacht zu ihren Gunsten zu entscheiden. Ihre Stimme kehrte wieder zurück, und Paul hörte, wie sie wie in Trance mit dem Abbild redete, das sie noch vor kurzem beherrscht hatte.
»Mutter ... bitte ...« Und dann: »Du hast Alia gesehen! Willst du, daß aus dir eine zweite Alia wird?«
Schließlich lehnte sich Ghanima gegen seine Brust und flüsterte: »Sie hat es eingesehen. Sie ist gegangen.«
Leto streichelte ihren Kopf. »Ghani, es tut mir leid. Ich hätte dich nicht wieder darum bitten sollen. Ich war egoistisch. Bitte, verzeihe mir.«
»Es gibt nichts zu vergeben«, erwiderte sie, mühsam nach Luft schnappend, wie nach einer großen Anstrengung. »Wir haben viel von dem, was wir wissen mußten, erfahren.«
»Sie hat über viele Dinge mit dir gesprochen«, sagte er. »Wir wollen uns später darüber unterhalten, wenn ...«
»Nein! Wir reden jetzt darüber. Du hattest recht!«
»Mein Goldener Pfad?«
»Dein verdammter Goldener Pfad!«
»Logik ist nutzlos, wenn einem grundsätzliche Informationen fehlen«, sagte Leto. »Aber ich ...«
»Großmutter ist deswegen zurückgekehrt, um unsere Erziehung zu leiten und herauszufinden, ob wir gefährdet sind.«
»Das sind Duncans Worte. Und sie sagen mir genau das, was ich schon selbst vermutete.«
»Es war sein erster Eindruck«, stimmte Ghanima zu. Allmählich gewann ihre Stimme wieder die alte Kraft zurück. Sie löste sich von ihrem Bruder und sah auf die nächtliche Wüste hinaus. Bald würde der Morgen wieder heraufdämmern. Dieser Kampf ... Sie hatten wegen dieses bißchen Wissens die ganze Nacht geopfert. Die Leibwache, die hinter dem Feuchtigkeitssiegel auf sie wartete, würde sich Gedanken machen. Immerhin hatte Leto dafür gesorgt, daß niemand sie störte.
»Die meisten Leute lernen unbewußt, wenn sie älter werden«, erklärte er. »Und ich frage mich, was noch alles auf uns zukommt, wenn es soweit ist.«
»Das Universum, wie wir es wahrnehmen, ist physikalisch niemals das gleiche«, erwiderte Ghanima. »Wir sollten uns also hüten, in unserer Großmutter lediglich eine Großmutter zu sehen.«
»Sie könnte mehr sein als sie zu scheinen vorgibt«, sagte Leto und nickte. »Aber meine Frage zielte ...«
»Es gibt andere Möglichkeiten, als die der puren Hinterlist«, gab Ghanima zu bedenken. »Wir sollten nicht vergessen, besonderen Wert auf Zeichen zu legen, die andeuten können, was für uns unvorhersehbar ist. Mutter hat, wenn sie über Jessica
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