Dune 04: Der Gottkaiser des Wüstenplaneten
Aber das Dreibein, auf dem die Ewigkeit fußt, besteht aus Fleisch, Intellekt und Gefühlen. Ich hatte den Eindruck, nur noch aus Fleisch und Intellekt zu bestehen.«
»Sie hat dich irgendwie verhext«, sagte Moneo vorwurfsvoll.
»Natürlich hat sie das. Und du glaubst gar nicht, wie dankbar ich ihr dafür bin. Wenn wir die Notwendigkeit des Denkens in Abrede stellen, wie es manche tun, Moneo, verlieren wir die Fähigkeit zur Reflexion; wir können das, was die Sinne uns berichten, nicht mehr in Zusammenhang bringen. Wenn wir das Fleisch verleugnen, bremsen wir das Gefährt, das uns trägt. Aber wenn wir die Emotionen verleugnen, verlieren wir alle Verbindungen zu unserem inneren Universum. Es waren die Emotionen, die mir am meisten gefehlt haben.«
»Herr, ich bestehe darauf, daß ...«
»Du machst mich wütend, Moneo. Das ist eine Emotion.«
Leto stellte fest, daß sich der aus Frustration geborene Zorn Moneos allmählich abkühlte und verging – wie die Hitze eines glühenden Eisenstücks, das man in eiskaltes Wasser tauchte. Er hatte allerdings noch etwas Dampf abzulassen.
»Meine Sorge gilt nicht mir, Herr. Ich sorge mich in erster Linie um dich, und das weißt du.«
Leto sagte leise: »Das sind deine Emotionen, Moneo. Und ich schätze sie sehr.«
Moneo holte tief und zitternd Luft. Noch nie zuvor hatte er den Gott-Kaiser in einer Stimmung erlebt, die seine Emotionen reflektierte. Deutete er seine Laune richtig, dann machte Leto auf ihn einen gleichermaßen glücklichen und resignierten Eindruck. Aber dessen konnte man sich nie sicher sein.
»Das, was das Leben für die Lebenden süß macht«, sagte Leto, »das, was das Leben angenehm macht und mit Schönheit erfüllt, das ist es, was ich bewahren möchte – selbst wenn es mir verwehrt wäre.«
»Dann hat diese Hwi Noree ...«
»Sie bringt mich dazu, Butlers Djihad mit einem schärferen Blick zu betrachten. Sie ist die Antithese alles Mechanischen und Nichtmenschlichen. Ist es nicht komisch, Moneo, daß ausgerechnet die Ixianer ein Wesen erzeugt haben sollen, das in absolut perfekter Weise all jene Qualitäten verkörpert, die mir die liebsten sind?«
»Ich verstehe deine Anspielung auf Butlers Djihad nicht, Herr. Maschinen, die denken können, haben keinen Platz in ...«
»Das Ziel des Djihads war ebensosehr die Einstellung, die man den Maschinen gegenüber hatte, wie die Maschinen selbst«, sagte Leto. »Die Menschen hatten die Maschinen so programmiert, daß sie unseren Sinn für Schönheit und die uns gegebene Fähigkeit, selbst zu urteilen, für sich in Beschlag nahmen. Natürlich wurden sie daraufhin zerstört.«
»Herr, ich verspüre immer noch Verdruß über die Tatsache, daß du diese Hwi bereitwillig ...«
»Moneo! Schon durch ihre Anwesenheit stärkt Hwi mir den Rücken. Zum erstenmal seit Jahrhunderten bin ich nicht mehr einsam – es sei denn, sie ist nicht an meiner Seite. Selbst wenn ich keinen anderen Beweis dafür hätte, daß ich Gefühle habe, würde mir dieser reichen.«
Moneo verfiel in Schweigen. Letos Eingeständnis, sich einsam zu fühlen, rührte ihn offensichtlich. Sicher konnte er verstehen, wie es war, wenn man niemanden hatte, auf den man seine Liebe konzentrieren konnte. Nicht einmal sein Gesichtsausdruck konnte dies verbergen.
Zum ersten Mal seit langer Zeit wurde Leto nun bewußt, wie stark Moneo gealtert war.
Es überkommt sie so plötzlich, dachte er.
Ihm wurde zutiefst klar, wie sehr er sich um Moneo sorgte.
Ich sollte nicht zulassen, daß ich Anhänglichkeitsgefühle entwickle, aber ich kann nichts dagegen tun ... Schon gar nicht mehr, seit Hwi hier ist.
»Man wird dich auslachen und schmutzige Witze verbreiten«, sagte Moneo.
»Das ist gut.«
»Wie kann so etwas gut sein?«
»Es ist etwas Neues. Es ist immer unsere Aufgabe gewesen, das Neue ins Gleichgewicht einzubringen und damit das Verhalten zu modifizieren, ohne das Überleben zu gefährden.«
»Trotzdem: Wie kann man solche Dinge willkommen heißen?«
»Das Aufkommen von Obszönitäten?« fragte Leto. »Was wäre denn das Gegenteil?«
Moneo riß die Augen auf. Ihm wurde plötzlich etwas klar. Er hatte die Auswirkungen vieler Gegensätze gesehen – und auch das, was man auf der jeweils anderen Seite darüber dachte.
Im Endeffekt geht es immer nur um die Frage des eigenen Standpunkts, dachte Leto. Moneo wird das sicher einsehen.
»Es ist zu gefährlich«, sagte Moneo.
Die höchste Weisheit des Konservativismus!
Moneo war nicht überzeugt.
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