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Dune 06: Die Ordensburg des Wüstenplaneten

Dune 06: Die Ordensburg des Wüstenplaneten

Titel: Dune 06: Die Ordensburg des Wüstenplaneten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Herbert
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Das Meereskind war intakt geblieben.
    Und jetzt warnt es mich.
    War es eine Warnung, die auf Hellsicht beruhte?
    Schon immer hatte sie dieses kleine Talent gespürt, dieses winzige Nervenzucken, das von einer der Schwesternschaft unmittelbar drohenden Gefahr kündete. Atreides-Gene, die sie an ihre Gegenwart erinnerten. War es eine Bedrohung der Ordensburg? Nein ... Der Schmerz, den sie nicht ertasten konnte, sprach davon, daß andere in Gefahr waren. Und es war wichtig.
    Lampadas? Ihr kleines Talent konnte dazu nichts sagen.
    Die Zuchtmeisterinnen hatten zwar versucht, dieses von ihren Vorfahren ererbte Sehvermögen auszuradieren, aber nur mit begrenztem Erfolg. »Wir dürfen keinen weiteren Kwisatz Haderach riskieren!« Man wußte zwar, daß die Mutter Oberin einer Laune der Natur unterworfen worden war, aber Odrades inzwischen verstorbene Vorgängerin Taraza hatte verkündet, man solle ihr Talent ›vorsichtig einsetzen‹. Taraza hatte die Ansicht vertreten, daß Odrades Sehvermögen nur dann funktionierte, wenn es galt, die Bene Gesserit vor einer Gefahr zu warnen.
    Odrade war damit einverstanden. Wenn sie etwas Bedrohliches sah, durchlebte sie Augenblicke, die sie nicht durchleben wollte. Ausblicke. Die später in Träume übergingen.
    Da gab es einen Traum, der immer wiederkehrte, der jede Faser ihres Bewußtseins auf die Unmittelbarkeit dieser Angelegenheit abstimmte. Sie ging auf einem Seil über einen Abgrund, und hinter ihr näherte sich jemand (sie wagte es nicht, sich umzudrehen, um ihn zu erkennen) mit einer Axt, um das Seil zu durchtrennen. Unter den Füßen spürte sie mit aller Deutlichkeit, daß das rauhe Seil erbebte. Ein kalter Wind blies um sie her und brachte den Geruch von Feuer mit sich. Und sie wußte, wer sich dort mit der Axt näherte!
    Jeder gefahrvolle Schritt erforderte ihre ganze Kraft. Schritt! Schritt! Das Seil schwankte, und sie streckte beide Arme aus, um das Gleichgewicht zu halten.
    Wenn ich abstürze, ist es auch mit der Schwesternschaft zu Ende!
    Die Bene Gesserit würden in dem Abgrund unter dem Seil enden. Wie mit jedem anderen lebenden Geschöpf mußte es auch mit der Schwesternschaft irgendwann zu Ende gehen. Keine Ehrwürdige Mutter wagte es, dies abzustreiten.
    Aber nicht hier. Nicht, indem sie abstürzt, weil jemand das Seil durchtrennt hat. Wir dürfen nicht zulassen, daß jemand das Seil zerschneidet! Ich muß den Abgrund überqueren, bevor der, der die Axt schwingt, heran ist. Ich muß! Ich muß!
    Hier endete der Traum stets, während ihr die eigene Stimme in den Ohren klang, wenn sie in ihrem Schlafgemach erwachte. Fröstelnd. Ohne zu schwitzen. Selbst in den Klauen eines Alptraums duldeten die Zwänge der Bene Gesserit keine unnötigen Exzesse.
    Der Körper braucht keinen Schweißausbruch? Dann kriegt er auch keinen.
    Jetzt, wo sie in ihrem Arbeitszimmer saß und sich an den Traum erinnerte, spürte Odrade die Tiefe der Realität hinter der Metapher des dünnen Seils: Es ist das dünne Fädchen, über das ich das Schicksal der Schwesternschaft transportiere. Das Kind der See nahm den sich nähernden Alptraum wahr und drang mit dem Abbild blutiger Gewässer auf sie ein. Eine ernstzunehmende Warnung. Unheilverkündend. Am liebsten wäre Odrade aufgesprungen und hätte gerufen: »Verstreut euch im Gebüsch, Mädels! Lauft! Lauft!«
    Es würde die Wachhunde ganz schön schockieren!
    Die Pflichten einer Mutter Oberin erforderten es jedoch, daß sie ihre Erregung mit einer gelassenen Miene kaschierte und so handelte, als sei außer den vor ihr liegenden offiziellen Entscheidungen für sie nichts weiter von Belang. Eine Panik mußte vermieden werden! Was nicht hieß, daß die anderen Entscheidungen, die momentan getroffen werden mußten, in diesen Zeiten als trivial gegolten hätten. Aber Gelassenheit wurde einfach von einem verlangt.
    Einige ihrer Küken waren bereits davongelaufen, im Unbekannten verschwunden. Geteilte Leben, nur noch in der Erinnerung vorhanden. Der Rest ihrer Küken hier in der Ordensburg würde wissen, wann es an der Zeit war, zu verschwinden. Wenn wir entdeckt worden sind. Ihr Verhalten würde dann von der Notwendigkeit des Augenblicks gesteuert werden. Alles, was wirklich eine Rolle spielte, war ihre hervorragende Ausbildung. Sie stellte ihre verläßlichste Vorbeugungsmaßnahme dar.
    Jede neue Bene Gesserit-Zelle, wohin sie sich auch begab, war ebenso darauf vorbereitet wie die Ordensburg: Bevor man sich unterwarf, würde man sich völlig vernichten

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