Dune 06: Die Ordensburg des Wüstenplaneten
verstehen, die ihr nicht erkennt.«
»Wir glauben nicht an Hellseherei.« Du tust es doch! Endlich. Deswegen erhält sie uns am Leben.
»Dama, bitte! Es ist stets etwas Unausgeglichenes daran, wenn man sich selbst auf einen engen Gesetzeskreis beschränkt.«
Sei vorsichtig! Sie ist nicht böse geworden, als du sie Dama genannt hast.
Der Sessel der Großen Geehrten Mater knarrte, als sie sich in ihm bewegte. »Aber Gesetze sind notwendig!«
»Notwendig? Sie bergen Gefahren.«
»Wieso?«
Ruhig jetzt! Sie fühlt sich bedroht.
»Notwendige Regeln und Gesetze halten einen davon ab, etwas zu adaptieren. Unausweichlich stürzt alles über einem zusammen. Es ist wie bei den Bankiers, die glauben, sie würden die Zukunft kaufen. Ich will Macht zu meinen Lebzeiten! Zur Hölle mit meinen Nachfahren!«
»Was tun meine Nachfahren schon für mich?«
Sag es nicht! Schau sie dir an! Sie reagiert aus einem Allerweltsschwachsinn heraus. Wirf ihr noch einen kleinen Köder hin!
»Die Geehrten Matres haben als Terroristen angefangen. Sie waren anfangs Bürokraten, und der Terror ihre gewählte Waffe.«
»Wenn man eine hat, benutzt man sie. Aber wir waren Rebellen. – Terroristen? Das ist zu chaotisch.«
Sie mag das Wort ›Chaos‹. Es definiert alles, was außerhalb von uns ist. Sie fragt nicht einmal, woher du ihren Ursprung kennst. Sie akzeptiert unsere rätselhaften Fähigkeiten.
»Ist es nicht komisch, Dama ...« – keine Reaktion; also fahren wir fort – »... wie allzu schnell man als Rebell zu den alten Verhaltensmustern zurückkehrt, wenn man erst einmal siegreich war? Es handelt sich weniger um die Fallgrube, die sich auf dem Weg aller Regierungen auftut, als um eine Verblendung, die auf jeden wartet, der Macht erringt.«
»Ha! Und ich dachte, du würdest mir etwas Neues erzählen. Eins wissen wir: Macht korrumpiert. Absolute Macht korrumpiert absolut.«
»Falsch, Dama. Etwas subtiler, aber weit grundsätzlicher: Macht zieht die Korrumpierbaren an.«
»Du wagst es, mich der Korruption zu beschuldigen?«
Achte auf ihre Augen!
»Dich beschuldigen? Der einzige, der das kann, bist du selbst. Ich lege nur den Standpunkt der Bene Gesserit dar.«
»Erzähl mir nichts!«
»Und doch glauben wir an eine Moral, die über jedem Gesetz steht, die über alle Anschläge auf die gleichbleibenden Statuten wacht.«
Du hast beide Wörter in einem Satz gebraucht, ohne daß sie es bemerkt hat.
»Die Macht funktioniert immer, Hexe. Das ist das Gesetz.«
»Und Regierungen, die sich unter diesem Glauben lange genug verewigen, werden voller Korruption sein.«
»Ethik!«
In Sachen Sarkasmus ist sie nicht sehr gut, besonders dann nicht, wenn sie sich in der Defensive befindet.
»Ich habe wirklich versucht, dir zu helfen, Dama. Gesetze sind für jedermann gefährlich – für die Schuldigen ebenso wie für die Unschuldigen. Es ist egal, ob man sich persönlich für mächtig oder für hilflos hält. Sie haben kein menschliches Verständnis für sich, kein Einfühlungsvermögen.«
»Es gibt kein menschliches Einfühlungsvermögen!«
Unsere Frage ist beantwortet. Nicht menschlich. Sprich ihr Unterbewußtsein an! Sie ist jetzt weit offen.
»Gesetze müssen stets interpretiert werden. Die Gesetzgebundenen wollen keinen Spielraum für Mitleid. Keinen Raum für die Ellbogen. Gesetz ist Gesetz!«
»So ist es!«
Äußerst defensiv.
»Das ist eine gefährliche Vorstellung, besonders für die Naiven. Die Menschen wissen dies instinktiv, und sie ärgern sich über solche Gesetze. Kleine Dinge werden – oftmals unbewußt – getan, um das Gesetz und jene, die sich mit diesem Unsinn beschäftigen, zu behindern.«
»Wie kannst du es wagen, von Unsinn zu sprechen?« Sie erhob sich halb von ihrem Sitz, dann sank sie zurück.
»O ja. Und das Gesetz, verkörpert von all jenen, deren Auskommen von ihm abhängt, wird natürlich auch wütend, wenn es solche Worte wie meine vernimmt.«
»Und das mit Recht, Hexe!«
Aber sie verbietet dir nicht den Mund.
»Mehr Gesetze, sagt ihr! Wir brauchen mehr Gesetze! Damit erzeugt ihr neue Organe der Mitleidlosigkeit, und – ohne es zu wollen – neue Freiräume für jene, die sich am System mästen.«
»So ist es schon immer gewesen, und so wird es auch immer bleiben.«
»Wieder falsch! Es ist ein Vervielfältigungsapparat. Er läuft und läuft, bis er die falsche Person oder die falsche Gruppe schädigt. Dann kommt es zur Anarchie. Zum Chaos.« Siehst du, wie sie hochgeht? »Rebellen,
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