Dune 07 - Die Jäger des Wüstenplaneten
Stilgar und Liet-Kynes hatten sich inzwischen miteinander angefreundet; Paul saß neben Chani, während sich Jessica – ohne ihren Herzog – abseits hielt; Pauls Sohn Leto II., dem seine Zwillingsschwester fehlte, neigte ebenfalls zum Einzelgängertum.
Der kleine Leto II. hätte mit seiner Schwester aufwachsen sollen. Dem Jungen war es nicht bestimmt, zu einem Monstrum zu werden, doch ohne Ghani war er dieses Mal vielleicht noch verletzlicher. Eines Tages, nachdem er den stillen Jungen beobachtet hatte, war Duncan zu Sheeana gegangen und hatte Antworten verlangt. Ja, Ghanimas Zellen befanden sich in Scytales Reservoir, aber aus irgendeinem Grund hatten die Bene Gesserit sie in keinen Axolotl-Tank eingepflanzt. »Dieses Mal nicht«, hatten sie gesagt. Natürlich hätten sie es jederzeit nachholen können, aber Leto II. würde über Jahre getrennt von einem Menschen aufwachsen, der sein Zwilling hätte sein sollen, seine zweite Hälfte. Er sah nicht ein, warum der Junge sinnlos leiden sollte.
Durch ihre gemeinsame Vergangenheit und ihre Instinkte aneinandergebunden, saßen Paul und die sechsjährige Chani Seite an Seite da. Der Junge hockte auf dem Boden und studierte die Baupläne. Ein Holo hing schimmernd in der Luft und zeigte wesentlich mehr Details, als er benötigte. Er konzentrierte sich auf die strukturierten Wände, die Hauptteile des Komplexes, der das größte Gebäude darstellte, das jemals von Menschen errichtet worden war.
Duncan wusste, dass die Aufgabe, die Garimi den Kindern gestellt hatte, pädagogisch vielschichtig war, in künstlerischer sowie praktischer Hinsicht. Durch den Bau einer verkleinerten Version von Muad'dibs Großem Palast kamen diese Gholas mit der Geschichte in Berührung. »Taktile Empfindungen und visuelle Reize lösten ein ganz anderes Verständnis aus als bloße Worte und archivierte Aufzeichnungen«, hatte sie erklärt. Die meisten der acht Gholas hatten sich während ihres früheren Lebens innerhalb des realen Gebäudes aufgehalten, also würde diese Aufgabe möglicherweise ihre internen Erinnerungen anregen.
Obwohl er zu klein war, um helfen zu können, lief Leto II. unbeholfen umher und schaute voller Faszination zu. Erst vor einem Jahr hatten Garimi und Stuka versucht, ihn in seiner Wiege zu töten. Der Junge verhielt sich ruhig und interessiert, sprach aber nur wenig, auch wenn er eine erstaunlich hohe Intelligenz an den Tag legte und alles aufzunehmen schien, was um ihn herum geschah.
Der Säugling setzte sich vor den projizierten Eingang des Palastes auf den sandigen Boden und schaukelte vor und zurück, während er sich die Knie hielt. Der Zweijährige schien manche Dinge genauso gut zu verstehen wie die anderen Kinder, vielleicht sogar besser.
Thufir Hawat, Stilgar und Liet-Kynes arbeiteten gemeinsam daran, die Außenwände hochzuziehen. Sie lachten und schienen die Aufgabe mehr als Spiel zu betrachten. Seit er über das heldenhafte Leben seines Vorbilds gelesen hatte, war Thufir wesentlich kühner geworden. »Ich wünschte, wir würden endlich den Feind finden und ihn erledigen. Ich bin überzeugt, dass der Bashar und Duncan es mit ihm aufnehmen können.«
»Außerdem haben sie jetzt uns als Hilfe«, sagte Stilgar selbstbewusst und stieß seinem Freund Liet in die Seite, wobei unabsichtlich einige Bauklötze umfielen.
Auf seinem Beobachtungsposten murmelte Duncan: »Dich haben wir eigentlich gar nicht – jedenfalls nicht den, den wir brauchen.«
Jessica formte aus Sensiplaz neue Klötze, wobei Yueh ihr eifrig half. Chani ging die Abgrenzungen ab, wie sie vom Plan projiziert wurden. Dann errichtete sie zusammen mit Paul den maßstabgetreuen Anbau, in dem alle Bediensteten der Atreides mitsamt ihren Familien gewohnt hatten – zeitweise bis zu fünfunddreißig Millionen Menschen! Die Aufzeichnungen übertrieben keineswegs, aber diese Dimensionen waren für jeden nur schwer zu erfassen.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir in einem solchen Haus leben«, sagte Chani und schritt den neuen Grundriss des Palastes ab.
»Nach den Angaben im Archiv haben wir dort viele glückliche Jahre verbracht.«
Sie lächelte verschmitzt und schien viel mehr zu verstehen, als für ein Mädchen ihres Alters normal gewesen wäre. »Können wir diesmal nicht einfach Irulans Wohnräume weglassen?«
Selbst Duncan musste leise lachen, als er ihre Worte mithörte.
Auch die Zellen von Irulan, der Tochter von Shaddam IV., befanden sich in Scytales Schatzkiste, aber in absehbarer
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