Dune 08 - Die Erlöser des Wüstenplaneten
mit der Frage gequält, ob er sich auf Qelso niederlassen und eine neue Heimat für die Tleilaxu begründen sollte. Wäre er in der Lage, die nötigen Labors und die Ausrüstung zu bauen? Unter den dort lebenden Menschen Helfer zu rekrutieren? Hätte er sich auf ein solches Glücksspiel einlassen sollen? Der junge Scytale hatte die Schriften studiert, lange und intensiv meditiert und schließlich entschieden, nicht auf dem Planeten zu bleiben – genauso wie der Rabbi. Auf Qelso war es unwahrscheinlich, dass er jemals Zugang zur Axolotl-Technik erhielt, die er benötigte. Seine Entscheidung war absolut logisch.
Die Not und Wut des Rabbi war jedoch nicht so leicht zu erklären. Niemand hatte ihn zu seiner Entscheidung gezwungen. Seit das Schiff den Planeten mit den neuen Wüsten verlassen hatte, war der alte Mann in den Korridoren hin und her gelaufen und versprühte Dissens, als wäre es Gift. An Bord war er der einzige Vertreter seines Volkes. Genauso wie Scytale.
Der alt gewordene Geistliche aß zusammen mit den anderen Flüchtlingen und murrte, wie schlecht er behandelt wurde und wie schwierig es für sein Volk sein musste, ohne seine Führung ein neues Zion zu gründen. Garimis konservative Fraktion, der man der Zutritt zum Planeten unter Androhung von Gewalt verweigert hatte, zeigte keinerlei Mitleid mit seinem Kummer.
Scytale, der das alles beobachtete, gelangte zur Schlussfolgerung, dass der Rabbi zu jener Sorte Menschen gehörte, die stets anderen die Schuld gaben, um sich selbst als Märtyrer darstellen zu können. Da er den Axolotl-Tank, der einst Rebecca gewesen war, nicht im Stich lassen wollte, konnte er sich an seinen Hass auf die Bene Gesserit klammern und sie verantwortlich machen, statt sich einzugestehen, dass er selbst unklug entschieden hatte.
Scytale fand, dass an Bord zweifellos eine Menge Hass brodelte.
* * *
In seinem Privatquartier musterte Wellington Yueh sein Spiegelbild – das blasse Antlitz, die dunklen Lippen, das spitze Kinn. Das schmale Gesicht war jünger als in seiner Erinnerung, aber durchaus wiedererkennbar. Seit sein Gedächtnis erweckt worden war, hatte er das schwarze Haar wachsen lassen, bis es lang genug war, um es mit einem behelfsmäßigen Suk-Ring zusammenzubinden.
Dennoch fühlte er sich immer noch nicht mit sich selbst identisch. Ihm stand ein weiterer bedeutender Schritt bevor.
In der Hand hielt er einen Schreibstift mit unauslöschlicher dunkler Tinte, die dauerhafte Spuren hinterlassen würde. Es war nicht dasselbe wie eine Tätowierung und auch nicht mit einem Implantat oder einer imperialen Tiefenkonditionierung verbunden, aber vorläufig würde es genügen. Seine Hände waren ruhig und zogen saubere Linien.
Ich bin ein Suk-Arzt, ein Chirurg. Ich kann ein einfaches geometrisches Muster zeichnen.
Ein Karo mitten auf seiner Stirn. Ohne das geringste Zögern fügte er einen weiteren Strich hinzu, verband die Linien und füllte die Hautfläche aus. Als er fertig war, musterte er das Ergebnis. Wellington Yueh blickte ihm aus dem Spiegel entgegen, der Suk-Doktor und Leibarzt des Hauses Vernius und anschließend des Hauses Atreides.
Der Verräter.
Er legte den Stift weg, kleidete sich in einen sauberen Arztkittel und machte sich auf den Weg in die medizinische Abteilung. Wie der alte Rabbi war auch er genauso qualifiziert wie jede Bene-Gesserit-Ärztin, Patienten zu behandeln und sich um die Axolotl-Tanks zu kümmern.
Seit kurzem züchtete Sheeana im Rahmen ihres Programms einen neuen Ghola aus Zellen in der Nullentropie-Kapsel des Tleilaxu-Meisters heran. Nachdem Stilgar und Liet-Kynes sie verlassen hatten, empfand sie diesen Schritt als gerechtfertigt. Sie schob Sicherheitsgründe vor und weigerte sich, die Identität des Kindes zu offenbaren, das im Axolotl-Tank heranwuchs.
Die Bene Gesserit behaupteten weiterhin, die Gholas zu brauchen, obwohl sie keinen genauen Grund dafür angeben konnten. Trotz ihrer Erfolge bei der Erweckung der Lebenserinnerungen Yuehs, Stilgars und Liet-Kynes' hatten sie bei den anderen Gholas noch nichts erreicht. Einige der Hexen, vor allem Proctor Superior Garimi, hatten weiterhin große Bedenken, die Persönlichkeiten von Jessica und Leto II. wiederzuerwecken, weil sie sich Sorgen wegen der Verbrechen machten, die sie in ihren früheren Leben begangen hatten. Also hatten sie versucht, als Nächsten Thufir Hawat zu erwecken.
Yueh wusste nicht, was die Hexen angestellt hatten, um Hawats Widerstand zu brechen, aber dieser
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