Dune 08 - Die Erlöser des Wüstenplaneten
Gedächtnisbarriere niederreißen würde.
Der Junge beobachtete die wechselnden Stimmungen, die über das Gesicht seines Mentors zogen. Da er nicht wusste, was er sonst tun sollte, zitierte er eine tröstliche Lektion aus seinem Katechismus. »Wer vor einer unmöglichen Entscheidung steht, muss stets den Weg des Großen Glaubens wählen. Gott führt den, der geführt zu werden wünscht.«
Dieser bloße Gedanke schien Scytale seiner letzten Kraft zu berauben, und er ließ sich auf einen Stuhl im Simulationsraum sinken, um sich zu erholen. Als der Ghola an seine Seite eilte, strich Scytale seiner jüngeren Version über das schwarze Haar. »Du bist jung, vielleicht zu jung.«
Der Junge legte dem alten Mann tröstend die Hand auf die Schulter. »Ich werde es versuchen, das verspreche ich dir. Ich werde mir alle Mühe geben.« Er schloss die Augen und schien geistigen Druck ausüben zu wollen, als würde er sich gegen die immateriellen Mauern in seinem Gehirn stemmen. Schließlich, als ihm bereits der Schweiß ausgebrochen war, gab er es auf.
Der ältere Scytale war niedergeschlagen. Er hatte bereits sämtliche Techniken, die er kannte, eingesetzt, um den Ghola über die Grenze zu stoßen. Krisen, Paradoxa, gnadenlose Verzweiflung. Doch er spürte es deutlicher als der Junge. Klinisches Wissen genügte einfach nicht.
Die Hexen hatten eine Methode sexueller Verwirrung eingesetzt, um die Persönlichkeit des Bashars Miles Teg zu aktivieren, als sein Ghola erst zehn Jahre alt gewesen war, und Scytales Nachfolger hatte diese Marke bereits um zwei Jahre überschritten. Doch er konnte die Vorstellung nicht ertragen, wie die Bene-Gesserit-Frauen ihre unreinen Körper benutzten, um diesen Jungen zu brechen. Scytale hatte schon so viel geopfert und fast seine gesamte Seele verkauft, um einen Hoffnungsschimmer für die Zukunft seines Volks zu erhalten. Der Prophet würde Scytale angewidert den Rücken zukehren. Das durfte nicht sein!
Er stützte den Kopf in die Hände. »Du bist ein fehlerhafter Ghola. Ich hätte schon vor zwölf Jahren deinen Embryo entsorgen und einen neuen ansetzen sollen!«
Die Stimme des Jungen klang rau und wie zerfasert. »Ich werde mich konzentrieren und die Erinnerungen aus meinen Zellen hervorholen!«
Der Tleilaxu-Meister spürte schweren Kummer auf seinen Schultern lasten. »Es ist ein instinktiver Vorgang, kein intellektueller. Es kann nur mit dir geschehen. Wenn deine Erinnerungen nicht zurückkehren, bist du für mich ohne Nutzen. Warum sollte ich dich am Leben lassen?«
Der Junge gab sich sichtlich Mühe, aber Scytale sah kein Aufblitzen der Ehrfurcht und Erleichterung, keine plötzliche Flut aus Erfahrungen eines ganzen Lebens. Beide Tleilaxu schienen zum Scheitern verdammt zu sein. Mit jedem verstreichenden Augenblick spürte Scytale, wie er mehr und mehr starb.
6
Das Schicksal unserer Spezies hängt von den Taten einer unwahrscheinlichen Ansammlung von Außenseitern ab.
Aus einer Bene-Gesserit-Studie
über die menschliche Natur
In seinem zweiten Leben ging es Baron Wladimir Harkonnen sehr gut. Mit nur siebzehn Jahren befehligte der erweckte Ghola eine große Burg voller antiker Relikte und eine Schar von Dienern, die ihm jeden Wunsch erfüllten. Und noch besser war, dass es sich um Burg Caladan handelte, den Stammsitz des Hauses Atreides. Er saß auf einem hohen Thron aus schwarzen Edelsteinen und blickte sich im großen Audienzsaal um, während die Angestellten ihren Pflichten nachgingen. Viel Pomp, wie es einem Harkonnen zustand.
Trotz des Anscheins hatte der Ghola-Baron jedoch nur sehr wenig wirkliche Macht, was er genau wusste. Die Gestaltwandler-Myriade hatte ihn zu einem bestimmten Zweck erschaffen, und trotz seiner erweckten Erinnerungen hatte sie ihn weiterhin fest im Griff. Zu viele wichtige Fragen waren unbeantwortet geblieben, und zu viel entzog sich seiner Kontrolle. Das gefiel ihm nicht.
Die Gestaltwandler schienen viel mehr am jungen Ghola von Paul Atreides interessiert zu sein – den sie »Paolo« nannten. Um ihn ging es eigentlich. Ihr Anführer Khrone sagte, dieser Planet und die restaurierte Burg würden aus dem einzigen Grund existieren, um Paolos Gedächtnis anzuregen. Der Baron war nur ein Mittel zum Zweck und in der »Sache Kwisatz Haderach« von zweitrangiger Bedeutung.
Das nahm er dem Atreides-Balg übel. Der Junge war erst acht und hatte noch viel von seinem Mentor zu lernen, obwohl der Baron noch nicht herausgefunden hatte, was die
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