Dune 08 - Die Erlöser des Wüstenplaneten
schimpfenden Proctor. Die Zweijährige war außerordentlich frühreif, fast so genial wie die erste Alia. Die Sättigung mit Gewürz im Axolotl-Tank hatte sie durchaus verändert, aber sie besaß nicht die Weitergehenden Erinnerungen ihrer Vorgängerin. Die Proctor folgte ihr und verschloss hinter sich die Tür. Keine von beiden würdigte Yueh eines Blickes.
Alia war der jüngste Ghola. Das Programm war nach dem entsetzlichen Mord an den Tanks und den ungeborenen Kindern eingestellt worden. Wenigstens ein Verbrechen, das nicht auf meinem Gewissen lastet. Aber die Bene Gesserit würden das Programm schon bald fortsetzen. Sie diskutierten bereits darüber, welche Zellen sie als Nächste in die neuen Axolotl-Tanks verpflanzen sollten. Irulan? Imperator Shaddam höchstpersönlich? Graf Fenring? Oder jemand noch Schlimmeres? Yueh erschauderte bei der Vorstellung. Er befürchtete, dass es den Hexen gar nicht mehr um Notwendigkeiten ging, sondern dass sie nur noch mit Leben spielten, dass sie in ihrer teuflischen Neugier jede Vorsicht außer Acht ließen.
Er blieb vor Jessicas Quartier stehen und wappnete sich. Ich werde mich meiner Furcht stellen. Hieß es nicht so ähnlich in der Litanei, die die Hexen immer wieder zitierten? In ihrer gegenwärtigen Inkarnation als Gholas waren sich Jessica und Yueh nahe genug gekommen, um sich als Freunde zu sehen. Aber seit er wieder zu Dr. Wellington Yueh geworden war, hatte sich alles geändert.
Jetzt erhalte ich eine zweite Chance, dachte er. Aber mein Weg zur Erlösung ist lang und steil.
Kurz nach dem Signal öffnete Jessica die Tür. »Oh, hallo, Wellington! Mein Enkel und ich lesen gerade in einem Holobuch über die jungen Jahre von Paul, einen der dicken Bände, die Prinzessin Irulan am laufenden Band geschrieben hat.« Sie forderte ihn zum Eintreten auf, und er sah, wie Leto II. im Schneidersitz auf dem Teppich saß. Leto war ein Einzelgänger, obwohl er viel Zeit mit seiner »Großmutter« verbrachte.
Yueh zuckte nervös zusammen, als sie die Tür hinter ihm schloss, als wollte sie sein Schicksal besiegeln und ihm den Fluchtweg abschneiden. Er hielt den Blick gesenkt, und nach einem tiefen Seufzer sagte er: »Ich möchte Sie um Verzeihung bitten, Mylady. Obwohl mir bewusst ist, dass es für meine Taten keine Verzeihung gibt.«
Jessica legte ihm einen Arm auf die Schulter. »Darüber haben wir doch schon einmal gesprochen. Du kannst nicht die Schuld für Dinge auf dich nehmen, die vor so langer Zeit geschehen sind. Was jemand getan hat, der du eigentlich nicht warst.«
»Doch, ich war es, weil ich mich jetzt an alles erinnere! Wir Gholas wurden zu einem bestimmten Zweck erschaffen, und jetzt müssen wir die Konsequenzen tragen.«
Jessica sah ihn mit ungeduldiger Miene an. »Wir alle wissen, was du getan hast, Wellington. Das habe ich schon vor langer Zeit akzeptiert und dir verziehen.«
»Aber wirst du es auch tun, nachdem du dich erinnert hast? Eines Tages werden diese Kammern auch in deinem Geist geöffnet, und du wirst die grausamen alten Wunden spüren. Wir müssen uns der Schuld stellen, die unsere Vorgänger uns hinterlassen haben, sonst werden wir von Dingen aufgezehrt, die wir niemals getan haben.«
»Das ist für uns alle unerkundetes Territorium, aber ich vermute, dass jeder von uns für viele Dinge Buße tun muss.« Sie versuchte ihn zu trösten, aber er hatte das Gefühl, dass er es gar nicht verdiente.
Leto stoppte das Filmbuch und blickte mit Augen auf, in denen eine unheimliche Intelligenz schimmerte. »Also, ich werde nur die Verantwortung für das übernehmen, was ich in diesem Leben tue.«
Jessica legte zärtlich eine Hand an Yuehs Gesicht. »Ich kann nicht verstehen, was du durchgemacht hast oder was du immer noch durchmachst. Wahrscheinlich werde ich es schon bald erfahren. Aber du solltest darüber nachdenken, wer du gerne sein möchtest, statt Angst vor dir selber zu haben.«
Aus ihrem Mund klang es so einfach, aber trotz seiner Bemühungen war er schon einmal verderbt worden. »Was ist, wenn ich auch in diesem Leben etwas Böses tue?«
Jessicas Miene wurde härter. »Dann kann dir niemand mehr helfen.«
26
Du glaubst, deine Augen seien offen, und doch siehst du nicht.
Ermahnung der Bene Gesserit
Die Wellen krachten gegen das schwarze Riff auf Buzzell und wirbelten einen Schleier aus Gischt empor. Mutter Befehlshaberin Murbella stand mit der einst in Ungnade gefallenen Schwester am Rand der kleinen Bucht und beobachtete, die
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