Dune 08 - Die Erlöser des Wüstenplaneten
waren die Laken ausgegangen, sodass die Leichen nicht mehr verhüllt werden konnten und ihre verzerrten Gesichter die unerträglichen Schmerzen widerspiegelten, die sie erlitten hatten.
Murbella achtete nicht auf die Toten, sondern kniete neben dem Bett einer jungen Frau, die überlebt hatte. Sie musste die Opferzahlen aus einer anderen Perspektive betrachten. Wenn alle zum Sterben verdammt waren, war es ein sinnloses Unterfangen, die Toten zu zählen. In diesem Licht war nur die Anzahl jener, die sich erholten, von Bedeutung. Nicht die Niederlagen, sondern die Siege.
»Wenn wir nicht genug Wasser des Lebens haben, benutzt andere Gifte.« Murbella kam mühsam auf die Beine und ignorierte die Gerüche und Laute der Sterbenden. »Die Bene Gesserit haben zwar erkannt, dass das Wasser des Lebens am wirksamsten ist, um die Agonie auszulösen, aber vor langer Zeit haben die Schwestern andere tödliche Substanzen benutzt – Hauptsache, sie zwingen den Körper in eine schwere Krise.« Sie betrachtete prüfend die jungen Studentinnen, die Mädchen, die gehofft hatten, eines Tages zu Ehrwürdigen Müttern zu werden. Jetzt hatte jede von ihnen eine Chance, aber nur eine einzige. »Vergiftet sie auf diese oder jene Weise. Gebt ihnen allen irgendein Gift. Wenn sie überleben, haben sie sich ihren Platz auf Ordensburg verdient.«
Ein Kurier kam zu ihr geeilt, eine jüngere Schwester, die erst vor kurzem die Transformation überlebt hatte. »Mutter Befehlshaberin! Sie müssen sich dringend ins Archiv begeben!«
Murbella drehte sich um. »Hat Accadia etwas Interessantes gefunden?«
»Nein, Mutter Befehlshaberin. Sie ... Sie müssen es sich selbst ansehen.« Die junge Frau schluckte. »Und Sie sollten sich beeilen.«
Die uralte Archivmutter hatte nicht mehr die Kraft, ihr Büro zu verlassen. Accadia saß zwischen Lesegeräten für Drahtspulen und Stapeln aus dicht beschriebenen Kristallblättern. Sie saß zurückgelehnt auf ihrem großen Stuhl, atmete schwer und konnte sich kaum noch bewegen. Die wässrigen Augen der alten Frau öffneten sich mit flatternden Lidern. »Also bist du ... noch rechtzeitig gekommen.«
Murbella starrte die Archivarin entsetzt an. Auch Accadia hatte sich mit der Seuche infiziert. »Aber du bist eine Ehrwürdige Mutter! Du kannst dich dagegen wehren!«
»Ich bin alt und müde. Ich habe meine letzte Kraft dazu benutzt, unsere Berichte und Analysen zusammenzufassen, um den Verlauf dieser Epidemie zu dokumentieren. Vielleicht können wir sie dadurch auf anderen Welten verhindern.«
»Das bezweifle ich. Der Feind setzt das Virus dort ein, wo er es als strategisch sinnvoll erachtet.« Sie hatte bereits beschlossen, dass mehrere Ehrwürdige Mütter mit Accadia teilen sollten. Ihr umfangreiches Wissen und ihre Erfahrungen durften nicht verloren gehen.
Accadia versuchte mit letzter Kraft, sich im Stuhl aufzusetzen. »Mutter Befehlshaberin, du konzentrierst dich zu sehr auf die Seuche und übersiehst die Konsequenzen.« Sie hustete. Überall auf ihrer Haut hatten sich Flecken gebildet, ein Zeichen für das fortgeschrittene Stadium der Krankheit. »Diese Seuche ist nur ein Vorgeplänkel, ein Testangriff. Auf vielen Planeten würde die gesamte Bevölkerung dahingerafft werden, aber der Feind müsste die Schwesternschaft gut genug kennen, um zu wissen, dass wir uns dagegen wehren können, zumindest bis zu einem gewissen Grad. Nachdem man uns geschwächt hat, wird man mit anderen Mitteln angreifen.«
Murbella spürte, wie ihr schlagartig kalt wurde. »Wenn die Denkmaschinen die Schwesternschaft vernichten, haben die noch übrigen Splittergruppen der Menschheit keine Chance mehr, ihnen Widerstand zu leisten. Wir sind die größte Hürde, die Omnius überwinden muss.«
»Also hast du endlich begriffen, was das hier bedeutet.« Die alte Frau griff nach der Hand der Mutter Befehlshaberin, um sich zu vergewissern, dass sie es wirklich verstanden hatte. »Die Position dieser Welt war bislang geheim, aber jetzt wissen die Denkmaschinen, wo sich Ordensburg befindet. Ich würde alles darauf wetten, dass ihre Raumflotte bereits auf dem Weg hierher ist.«
38
Der Traum des einen ist der Albtraum des anderen.
Uraltes Sprichwort von Kaitain
Nachdem sie Stukas Leiche fortgeschafft hatten, trennten die Nomaden Sheeana und Teg von Stilgar und Liet-Kynes. Anscheinend betrachteten sie die beiden Jungen – mit ihren zwölf und dreizehn Jahren – nicht als Gefahr, ohne zu wissen, dass beide tödliche
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