Dune - Frühe Chroniken 01 - Das Haus Atreides
Klopfer. Der segmentierte Rücken des Monstrums erhob sich über die Wüste.
Ommun lief los, bemühte sich, mit dem sich bewegenden Wurm Schritt zu halten, aber der lose Sand behinderte ihn. Dann sprang er auf den Rücken der Bestie und zog sich mithilfe der Haken an einem Wurmsegment hoch.
Kynes verfolgte das Geschehen in ehrfürchtiger Fassungslosigkeit. Es gelang ihm weder, Klarheit in seine Gedanken zu bringen, noch zu verstehen, was dieser wagemutige junge Mann beabsichtigte. Das kann nicht sein, dachte er. Es ist unmöglich.
Ommun stieß einen der schaufelförmig gebogenen Haken in den Spalt zwischen zwei Segmenten des Wurms und riss daran, um die schützenden Ringe voneinander zu lösen und das rosafarbene Gewebe freizulegen.
Der Wurm drehte sich, um sein empfindliches Fleisch vor dem scharfen Sand zu schützen. Ommun kletterte weiter und setzte einen zweiten Haken an, um noch ein Segment zu öffnen, so dass der Wurm gezwungen war, sich etwas weiter aus seiner geheimen Welt unter der Wüstenoberfläche zu erheben. An der höchsten Stelle des Wurmrückens, direkt hinter dem gewaltigen Kopf, platzierte der junge Fremen eine Stange und ließ die langen Seile an der Flanke des Tieres herabhängen. Dann richtete er sich stolz auf dem Wurm auf und signalisierte den anderen, dass sie jetzt kommen konnten.
Jubelnd liefen die Fremen los, und Kynes stolperte hinterher. Drei weitere junge Männer kletterten an den Seilen hoch und setzten weitere »Bringerhaken« ein, wie sie sie nannten, damit der Wurm über der Sandoberfläche blieb. Das riesige Geschöpf setzte sich in Bewegung, aber recht ziellos, als könnte es nicht verstehen, warum es von diesen lästigen Wesen geärgert wurde.
Die Fremen, die am Boden nebenherliefen, warfen Vorräte hinauf, und weitere Pakete wurden mit Seilen auf den Rücken des Wurms gezogen. Die ersten Reiter errichteten in aller Eile ein kleines Lager. Von Stilgar angetrieben rannte der maßlos erstaunte Kynes neben dem gigantischen Wurmkörper. Der Planetologe spürte, wie von unten Reibungshitze aufstieg, und er versuchte sich das ehrfurchtgebietende chemische Kraftwerk vorzustellen, das tief im Innern dieses Lebewesens brannte.
»Hinauf, Umma Kynes!«, rief Stilgar und half ihm, einen Fuß in eine Schlinge des Seils zu stecken. Unbeholfen zog sich Kynes hoch und fühlte sich sicherer, als seine Wüstenstiefel Halt an der rauen Haut des Wurms fanden. Er kletterte immer höher. Die glühende Hitze, die Shai-Hulud abstrahlte, raubte ihm fast den Atem, aber Stilgar half ihm, den Rücken zu erreichen, wo sich die anderen Reiter versammelt hatten.
Sie hatten eine improvisierte Plattform und einen Sitz für ihn aufgebaut – eine Art Sänfte. Die anderen Fremen blieben stehen und hielten die Seile. Es machte fast den Eindruck, als wollten sie einen wilden Hengst zähmen. Dankbar nahm Kynes den angebotenen Sitz an und hielt sich an den Armlehnen fest. Hier oben war ihm unwohl zumute, weil er eigentlich gar nicht hierher gehörte und mühelos abgeworfen und zu Tode gequetscht werden konnte. Bei den schwankenden Bewegungen des Wurms protestierte sein Magen.
»Normalerweise sind diese Sitze für unsere Sayyadinas reserviert«, sagte Stilgar. »Aber wir wissen, dass du keine Erfahrung mit dem Wurmreiten hast. Also ist dies jetzt der Ehrenplatz für unseren Propheten. Es ist überhaupt keine Schande.«
Kynes nickte geistesabwesend und blickte nach vorn. Die anderen Fremen gratulierten Ommun, der seine wichtige Probe erfolgreich bestanden hatte. Jetzt war er ein anerkannter Sandreiter, ein vollwertiges Mitglied des Sietch.
Ommun zog an den Seilen und Haken, um den Wurm zu lenken. »Haiiii-Yoh!« Das riesige Geschöpf raste über den Sand in Richtung Süden ...
* * *
Kynes ritt den ganzen Tag, während ihm der trockene, staubige Wind ins Gesicht blies und der Sand im grellen Sonnenlicht lag. Er hatte keine Vergleichsmöglichkeit, um die Geschwindigkeit einzuschätzen, mit der sich der Wurm bewegte, aber er wusste, dass sie erstaunlich hoch sein musste.
In der heißen Luft roch er immer wieder Brisen aus frischem Sauerstoff, die sich mit dem Gestank nach verbranntem Feuerstein vermischten, der bei der Reibung des Wurmkörpers auf dem Sand entstand. Der Planetologe hatte bereits erkannt, dass der atmosphärische Sauerstoff auf Dune nicht ausschließlich durch Pflanzen erzeugt werden konnte; und nun wurde ihm klar, das die Würmer selbst einen großen Teil des lebenswichtigen Gases
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