Dune - Frühe Chroniken 01 - Das Haus Atreides
von vielen anderen Sietches gehört, hatte einzelne Fremen in den Städten und Dörfern der Harkonnens gesehen ... aber sie waren ihm wie die Geister einer vom Aussterben bedrohten Spezies erschienen. »Wie viele leben auf dem Planeten?«
»Möchtest du, dass wir unser Volk zählen, Umma Kynes?«, fragte Heinar zurück. Er zeigte kein ungläubiges Erstaunen, sondern erkundigte sich lediglich nach seinen Wünschen.
»Ich muss wissen, wie groß die Bevölkerung ist, wenn ich die Aktivitäten plane. Ich muss wissen, wie viele Arbeiter uns zur Verfügung stehen.«
Heinar stand auf. »Es wird geschehen. Wir zählen all unsere Sietches und die Menschen, die darin leben. Ich werde Sandreiter und Distrans-Fledermäuse zu allen Gemeinschaften schicken, und schon bald wirst du über die Zahlen verfügen.«
»Vielen Dank.« Kynes nahm seine Tasse, doch bevor er selbst das Kaffeegeschirr einsammeln konnte, war Frieth aus dem Schatten der Höhle gekommen – sie musste dort die ganze Zeit gewartet haben –, um ihm diese Arbeit abzunehmen. Ihre Schwangerschaft schien sie nicht im Geringsten in ihrer Beweglichkeit zu behindern.
Die erste Volkszählung der Fremen, dachte Kynes. Ein historischer Augenblick.
* * *
Mit strahlenden Augen und voller Eifer kam Stilgar am nächsten Morgen in Kynes' Wohnhöhle. »Wir packen alles für deine lange Reise weit in den Süden zusammen, Umma Kynes. Wir müssen dir wichtige Dinge zeigen.«
Seit er sich von der Verletzung durch die Harkonnens erholt hatte, war Stilgar zu einem der glühendsten Anhänger Kynes' geworden. Er schien durch die Beziehung zum Planetologen, seinem Schwager, an Status gewonnen zu haben. Doch Stilgar dachte nicht an seinen persönlichen Vorteil, sondern nur an das Wohl aller Fremen.
»Wie lange wird die Reise dauern?«, erkundigte sich Kynes. »Und wohin geht sie?«
Der junge Mann zeigte ihm ein breites Grinsen aus weiß funkelnden Zähnen. »Eine Überraschung! Du musst es mit eigenen Augen sehen, sonst wirst du es niemals glauben. Betrachte es als ein Geschenk, das wir dir machen.«
Neugierig blickte Kynes sich zur Nische mit seinem Arbeitsplatz um. Er wollte seine Notizen mitnehmen, um die Reise zu dokumentieren. »Aber wie lange wird sie dauern?«
»Zwanzig Klopfer«, antwortete Stilgar in der Terminologie der Wüste, dann rief er ihm im Gehen über die Schulter zu: »Sie geht weit nach Süden.«
Obwohl Kynes' Frau Frieth hochschwanger war, arbeitete sie viele Stunden an den Webstühlen und in den Reparaturwerkstätten für Destillanzüge. An diesem Morgen hatte Kynes an ihrer Seite seinen Kaffee getrunken und gefrühstückt, aber sie hatten kaum ein Wort miteinander gesprochen. Frieth beobachtete ihn nur, und er hatte das Gefühl, überhaupt nichts zu verstehen.
Fremen-Frauen schienen in ihrer eigenen Welt zu leben, bildeten eine eigene Sektion in der Gesellschaft dieser Wüstenbewohner. Sie isolierten sich viel stärker als in anderen Kulturen, die Kynes überall im Imperium kennen gelernt hatte. Es hieß allerdings, dass Fremen-Frauen im Kampf eine beispiellose Wildheit entwickelten, und wenn ein Feind verwundet und hilflos der Gnade dieser Kämpferinnen ausgeliefert war, sollte er es vorziehen, sich ohne Zögern selbst zu töten.
Aber es gab auch noch das ungelöste Geheimnis der Sayyadinas, der heiligen Frauen des Sietch. Bisher hatte Kynes nur eine gesehen, die in ein langes, schwarzes Gewand gekleidet gewesen war, ähnlich dem einer Ehrwürdigen Mutter der Bene Gesserit. Und kein Fremen schien bereit, ihm mehr über sie erzählen zu wollen. Andere Welten, andere Geheimnisse.
Kynes dachte daran, dass er eines Tages eine soziologische Studie anfertigen sollte, wie sich unterschiedliche Kulturen extremen Umweltbedingungen anpassten. Es wäre sicher eine interessante Frage, wie eine lebensfeindliche Welt die natürlichen Instinkte und die traditionellen Geschlechterrollen beeinflusste. Aber er hatte bereits genügend Arbeit zu erledigen. Außerdem war er Planetologe und kein Soziologe.
Nachdem er seine Mahlzeit beendet hatte, beugte sich Kynes vor und küsste seine Frau. Lächelnd tätschelte er ihren dicken Bauch unter den Gewändern. »Stilgar sagt, ich soll ihn auf einer Reise begleiten. Ich werde so bald wie möglich zurück sein.«
»Wie lange?«, fragte sie und dachte an die bevorstehende Niederkunft. Offensichtlich hatte Kynes den Geburtstermin seines eigenen Kindes nicht in seine langfristigen Pläne für den Planeten
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