Dune - Frühe Chroniken 03 - Das Haus Corrino
für seine besorgniserregenden Empfindungen? Er hatte sich noch nie so ... seltsam gefühlt. Das Gewürzgas, in dem er schwamm, schien seine verschütteten Erinnerungen sogar noch zu verstärken. Er musste an Ix und das Große Palais zurückdenken, an seine Eltern und die Navigatorenprüfung, die er bestanden hatte und sein Zwillingsbruder nicht.
Ein Summton erklang im Navigationstank, und D'murr sah Ringe aus blauen Lichtern. Das Startsignal.
Aber ich bin gar nicht mehr bereit.
Aus den Tiefen seiner Verwirrung stieg eine Welle aus innerer Kraft auf, als würde er sich verzweifelt von einem Krankenbett erheben. Es war wie ein ferner Ruf.
»C'tair«, flüsterte er.
* * *
In einem Versteck unter einer verlassenen ixianischen Schule starrte C'tair Pilru auf die verkohlten Teile seines Rogo-Senders. Das Gerät war schwer beschädigt worden, als er vor zwei Jahren das letzte Mal Kontakt zu seinem Bruder hergestellt hatte. Seitdem hatte er sich Ersatzteile beschafft und es repariert, so gut es ging. Doch die Silikat-Kristallstäbe, die er zwischen anderem Technikschrott hervorgekramt hatte, waren von zweifelhafter Qualität.
Während ihres letzten Kontakts hatte C'tair seinen Bruder angefleht, Hilfe für Ix zu holen. Dieser dünne Hoffnungsfaden war immer mehr zerfranst – bis jetzt. Rhombur musste bereits unterwegs sein. Der Prinz hatte es versprochen. Schon bald würde Hilfe eintreffen.
Der Schwanz einer kleinen Eidechse zuckte wie eine Peitsche, dann huschte sie von einer dunklen Ecke in die andere, wo sie unter einem Haufen aus Metallteilen verschwand. C'tair starrte dem winzigen Reptil mit dem graugrünen Körper hinterher. Vor der Ankunft der Tleilaxu hatte es in den Höhlen von Ix kein Ungeziefer gegeben – weder Eidechsen noch Ratten oder Insekten.
Jetzt haben wir es nicht nur mit den Tleilaxu, sondern auch mit ihrem Ungeziefer zu tun.
C'tair fand den milchweißen Stab wieder, den er vor einiger Zeit beiseite gelegt hatte. Es war sein letzter. Er hielt ihn in der Hand, spürte seine Kühle und betrachtete einen haarfeinen Riss an der Seite. Falls das Haus Vernius zu seinen Lebzeiten zurückkehren sollte, würde C'tair wieder Zugang zu technischen Bauteilen haben. Dann konnte er ständigen Kontakt mit seinem Bruder halten. Als Kinder waren die Zwillinge praktisch unzertrennlich gewesen. Der eine hatte häufig einen Satz des anderen zu Ende gesprochen.
Doch nun hatten sie sich unvorstellbar weit voneinander entfernt – in Zeit, Raum und körperlicher Gestalt. D'murr war vermutlich viele Lichtjahre von ihm entfernt und navigierte durch den Faltraum. Selbst wenn C'tair den ungewöhnlichen Sender reparieren konnte, war es vielleicht trotzdem nicht möglich, ihn zu erreichen.
Er klammerte sich an den Silikatkristallstab wie an ein Stückchen Hoffnung, und zu seiner Überraschung glühte er plötzlich warm und hell in seinen Händen auf. Der feine Riss strahlte und schien völlig zu verschwinden.
Eine Stimme wehte heran, die wie D'murrs klang. »C'tair ...« Aber das war unmöglich. Er sah sich um, aber es war niemand in der Nähe. Er war ganz allein in seinem armseligen Versteck. Ein Schauer lief ihm über den Rücken, aber der Kristall wurde immer wärmer. Und er hörte weitere Worte.
»Ich stehe kurz davor, den Raum zu falten, Bruder.« D'murr klang, als würde er durch eine zähe Flüssigkeit zu ihm sprechen. »Ix liegt auf meinem Weg, und Prinz Rhombur ist an Bord. Er kommt zu dir.«
C'tair verstand nicht, wie es möglich war, dass er die Stimme seines Bruders hörte. Ich bin doch kein Rogo-Empfänger! Ich bin nur ein Mensch.
Auf jeden Fall war Rhombur unterwegs!
* * *
In seiner Erinnerung hatte sich D'murr in den Geist seines Zwillingsbruders versetzt, zu einer Zeit, als C'tair die rauchenden Trümmer eines ixianischen Gebäudes durchstöbert hatte, das der ersten Angriffswelle der Tleilaxu zum Opfer gefallen war. Wie viele Jahre war das her? Einundzwanzig? Zwischen diesen Trümmern hatte er eine Vision von Davee Rogo gesehen. Das verkrüppelte Genie hatte sich Jahre zuvor mit den Zwillingen angefreundet und ihnen seine wundersamen Erfindungen gezeigt. Als noch friedliche und glückliche Zeiten geherrscht hatten ...
D'murrs entfesselter menschlicher Faktor hatte dieses Phantombild projiziert – eine mächtige Kraft, die sich den Veränderungen seines Körpers und Geistes entgegengestemmt hatte. D'murr war sich gar nicht genau bewusst gewesen, was er getan hatte, welche
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