Dune - Frühe Chroniken 03 - Das Haus Corrino
Tiere zu gut im Futter standen, hatten sie jede Wildheit verloren.
In einem großen Becken schwammen Buzzell-Delfine. Mit ihren großen Gehirnen waren die Geschöpfe intelligent genug, um unter Wasser einfache Aufgaben zu erfüllen. Die Delfine schossen wie silberblaue Messer vorbei. Ein Tier kehrte zurück, um durch das Glas zu starren, als hätte es sie als prominente Persönlichkeit erkannt.
Während sie zwischen den Tieren spazierte, erlebte Anirul einen seltenen Moment des inneren Friedens. Hier in der verschlafenen Stille des Imperialen Zoos konnte ihr das Chaos nichts anhaben. In ihrem Kopf hörte sie nur ihre eigenen Gedanken. Anirul seufzte schwer, dann atmete sie tief ein und genoss die köstliche Einsamkeit.
Sie wusste, dass sie den zunehmenden Sturm der erinnerten Leben nicht mit gesundem Verstand überleben würde. Als Kwisatz-Mutter und Imperatorengattin hatte sie wichtige Pflichten zu erfüllen. Sie musste sich konzentrieren. Insbesondere musste sie Jessica und ihr ungeborenes Kind im Auge behalten.
Hat Jessica diese Unruhe ausgelöst? Wissen die Stimmen etwas, das ich nicht weiß? Was wird die Zukunft bringen?
Im Gegensatz zu den meisten anderen Schwestern hatte Anirul Zugang zu allen Erinnerungen. Aber nach dem Tod ihrer guten Freundin Lobia hatte sie zu tiefe Grabungen unternommen, sie hatte sich bei der Suche nach der alten Wahrsagerin zu weit vorgewagt. Dadurch hatte sie eine Lawine von Stimmen ausgelöst.
In der Stille des Zoos dachte Anirul erneut an Lobia, die ihr so viele gute Ratschläge erteilt hatte, als sie noch am Leben gewesen war. Anirul wollte hören, wie sich die Stimme der alten Frau über die der anderen erhob, dass sie im rätselhaften Chor eine Stimme der Vernunft bildete. Sie rief wieder nach ihrer verlorenen Freundin, aber auch diesmal spürte sie nichts von Lobia.
Als sie den Ruf hörten, bestürmten die Geisterstimmen sie aufs Neue, so heftig, dass sie durch den Park zu hallen schienen. Die Erinnerungen wurden lauter, die Leben und Gedanken, die Meinungen und Streitereien der Schwestern tobten in ihr. Stimmen riefen ihren Namen.
Sie schrie zurück, befahl ihnen, still zu sein ...
Die Buzzell-Delfine schlugen im Becken um sich und rammten ihre Flaschennasen gegen das dicke Plaz. Die Laza-Tiger stießen hallendes Gebrüll aus. Die Säbelzahnbären bellten und fielen im Gehege über ihre Artgenossen her. Ein wilder Kampf mit Zähnen und Krallen begann. Gefangene Vögel kreischten. Andere Tiere heulten vor Panik auf.
Anirul fiel auf die Knie und schrie immer noch gegen ihre inneren Stimmen an. Wachen und Diener eilten herbei, um ihr zu helfen. Sie hatten sie aus sicherer Distanz beobachtet und ihren Befehl, allein gelassen zu werden, missachtet.
Doch als sie versuchten, sie auf die Beine zu stellen, verkrampfte sich die Gattin des Imperators und schlug mit den Armen um sich. Ein Juwelenring an ihren Fingern traf das blonde Hausmädchen ins Gesicht und hinterließ eine blutige Schramme. Anirul hatte die Augen weit aufgerissen, als wäre sie ein tollwütiges Tier.
»Das wird den Imperator schwer verärgern«, sagte einer der Wachmänner, aber Anirul hörte ihn gar nicht mehr.
55
Diplomaten werden nach ihrem Geschick im Lügen ausgewählt.
Sprichwort der Bene Gesserit
Im Diplomatenviertel auf Kaitain saß Piter de Vries an einem Schreibtisch und verfasste einen Brief.
Blut tropfte von der Decke und sammelte sich in einer allmählich gerinnenden Pfütze am Boden, aber der Mentat achtete nicht darauf. Das feine Platschen der fallenden Tropfen war gleichmäßig wie ein Metronom. Er würde die Bescherung später aufräumen.
Nachdem er seine anonyme Nachricht abgeliefert hatte, in der der Imperator über das illegale Gewürzlager des Hauses Richese informiert wurde, war de Vries noch einige Zeit am Hof geblieben. Er hatte komplizierte Pläne in die Tat umgesetzt, die die Stellung des Hauses Harkonnen verbessern sollten. Er hatte bereits gerüchteweise von Shaddams Absicht gehört, Richese zu bestrafen. De Vries genoss die Vorstellung einer angemessenen Rache.
Außerdem wollte er so viele Informationen wie möglich sammeln, um sie in wohldosierten Portionen an den Baron weiterzugeben. Auf diese Weise demonstrierte er immer wieder seine Nützlichkeit und garantierte, dass er am Leben blieb.
Während seiner Spionagetätigkeit am Hof hatte er ein interessantes Detail aufgeschnappt, das der Baron sicher zu würdigen wusste. Es war viel bedeutender als simple
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