Dune - Frühe Chroniken 03 - Das Haus Corrino
sorgen, dass sämtliche Schuld dem Forschungsmeister Hidar Fen Ajidica zugewiesen wurde.
Der kleine Mann blutete aus hundert Wunden und wand sich immer noch auf dem Laufsteg. Er schrie Flüche und großartige Versprechungen, bis er zum Rand rollte und in die Tiefe stürzte ... wo er in einem Axolotl-Tank landete. Graf Fenring hatte wirklich nur ein ganz klein wenig nachgeholfen.
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Jeder Mensch kann zum Feind, jeder Ort zum Schlachtfeld werden.
Zensunni-Weisheit
Die Wehen wurden immer stärker und schmerzhafter. Jessica musste ihr ganzes Können als Bene Gesserit einsetzen, um ihren Körper zu beherrschen und das Baby durch den Geburtskanal zu führen. Es war ihr gleichgültig geworden, ob Mohiam enttäuscht reagierte oder ob das jahrhundertelange Zuchtprogramm durch dieses unerwartete männliche Kind zunichte gemacht wurde. Dieser elementare Lebensprozess nahm ihre Gedanken völlig in Anspruch.
Lady Anirul Corrino saß in einem Suspensorsessel neben Jessicas Bett. Ihr Gesicht war grau und verkniffen, als müsste sie ihre gesamten geistigen Fähigkeiten dazu einsetzen, nicht dem Wahnsinn zu verfallen. Das Laskalpell hatte sie wieder in die Hand genommen. Sie war bereit und beobachtete. Wie ein Raubtier.
Jessica hüllte sich in einen meditativen Kokon. Sie konnte ihr Geheimnis noch ein paar Momente länger wahren. Bald würde das Baby kommen. Ein Sohn, keine Tochter.
Sowohl die Ehrwürdige Mutter Mohiam als auch Lady Margot Fenring waren während der Wehen bei ihr geblieben, und nun standen sie wachsam hinter Anirul – zum Eingreifen bereit, falls sie erneut gewalttätig zu werden drohte. Obwohl sie die Kwisatz-Mutter war, würden sie nicht zulassen, dass sie Jessicas Baby etwas antat.
Zwischen zwei tiefen Atemzügen bemerkte Jessica aus dem Augenwinkel, das Mohiam ihr Handzeichen gab. Sag Anirul, du möchtest, dass ich die Nabelschnur durchtrenne. Damit ich das Laskalpell an mich nehmen kann.
Jessica täuschte einen Krampfanfall vor, um sich Zeit zu verschaffen, darüber nachzudenken. Jahrelang war Mohiam als Proctor Superior ihre Lehrerin auf Wallach IX gewesen. Von ihr war Jessica in die Lehren der Schwesternschaft eingeführt worden, und von ihr hatte Jessica den ausdrücklichen Befehl erhalten, eine Tochter von Leto Atreides zu empfangen. Sie erinnerte sich, wie Mohiam ihr das Gom Jabbar an den Hals gehalten hatte, die vergiftete Nadel, die ihr jederzeit einen schnellen und tödlichen Stich versetzen konnte. Als Strafe, wenn sie versagte.
Damals hätte sie mich getötet, wenn ich den esoterischen Bene-Gesserit-Kriterien der Menschlichkeit nicht entsprochen hätte. Und genauso mühelos könnte sie mich jetzt töten.
Aber wie menschlich war es, wenn Mohiam sich so verhielt? Die Schwesternschaft wachte eifersüchtig über das Verbot der Liebe – aber war es nicht menschlich, Liebe und Mitgefühl zu empfinden? Wäre Mohiam in der gegenwärtigen Situation für sie eine geringere Gefahr als Anirul?
Nein, es ist wahrscheinlicher, dass sie mein Baby töten.
Jessica glaubte, dass eine Maschine niemals so etwas wie Liebe empfinden konnte, und die Menschen hatten vor Jahrtausenden die Denkmaschinen in Butlers Djihad besiegt. Aber wenn die Menschen siegreich gewesen waren, warum lebte dann dieser Überrest der Nichtmenschlichkeit – das Barbarische des Gom Jabbar – in einer der Großen Schulen fort? Die Barbarei war genauso Teil der menschlichen Psyche wie die Liebe. Das eine konnte ohne das andere nicht existieren.
Kann ich ihr vertrauen? Die Alternative ist zu erschreckend. Gibt es eine andere Möglichkeit?
Zwischen zwei Kontraktionen hob Jessica den verschwitzten Kopf und sagte mit sanfter Stimme: »Lady Anirul, ich möchte, dass ... Margot Fenring die Nabelschnur des Babys durchschneidet.« Mohiam zuckte überrascht zusammen. »Würden Sie ihr bitte das Laskalpell reichen?« Jessica tat, als würde sie das Missfallen ihrer alten Mentorin nicht bemerken. »Ich möchte es so.«
Anirul wirkte geistesabwesend, als hätte sie auf ihre inneren Stimmen gelauscht und würde immer noch versuchen, sie zu verstehen. Sie blickte auf das chirurgische Instrument in ihrer Hand. »Ja, natürlich.« Sie wandte Lady Fenring den Kopf zu und reichte ihr die potenzielle Waffe. Für einen Moment waren Anirul die Qualen, die sie litt, deutlich anzusehen. »Wie lange noch?« Sie beugte sich nahe ans Bett heran.
Jessica bemühte sich, ihre Körperchemie zu verändern, um einen stechenden Schmerz zu
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