Dune - Frühe Chroniken 03 - Das Haus Corrino
unterdrücken, aber es gelang ihr nicht. »Das Baby kommt.«
Sie wandte den Blick von den Beobachterinnen ab und konzentrierte sich auf die zahmen Honigbienen, die zwischen den schwebenden Pflanzgloben über ihrem Kopf hin und her flogen. Die Insekten krochen in die Gefäße und bestäubten die Blüten. Konzentration ... Konzentration ...
Nach einigen Augenblicken ließ der Krampf nach. Als ihre Sicht wieder klarer wurde, stellte sie zu ihrer Überraschung fest, dass Mohiam nun doch das Laskalpell in der Hand hielt. Plötzlich hatte sie wieder Angst um ihr Baby. Doch die Waffe war im Grunde völlig bedeutungslos. Sie sind Bene Gesserit. Sie brauchen kein scharfes Instrument, um ein hilfloses Kind zu töten.
Die Wehen kamen in immer kürzeren Abständen. Finger berührten sie und drangen in ihre Vagina ein. Die rundliche Medizinschwester nickte. »Der Muttermund hat sich vollständig geöffnet.« Dann fügte sie mit einem Hauch der Stimme hinzu: »Pressen!«
Jessica gehorchte automatisch, aber die Anstrengung steigerte die Schmerzen nur. Sie schrie. Ihre Muskeln wurden zu harten Knäueln. Sie hörte besorgte Stimmen, die in den Hintergrund wanderten, und sie hatte Schwierigkeiten, die Worte zu verstehen.
»Pressen! Pressen!« Jetzt sprach die zweite Medizinschwester.
Etwas in ihr kämpfte gegen sie, als wollte sich das Baby gegen seine Mutter durchsetzen, sich gegen die Geburt wehren. Wie war das möglich? Widersprach das nicht dem natürlichen Lauf der Dinge?
»Halt! Jetzt entspannen.«
Sie konnte die Quelle dieses Befehls nicht identifizieren, aber sie gehorchte. Die Schmerzen wurden unerträglich, und es erforderte ihre ganze Selbstbeherrschung, die sie von Mohiam gelernt hatte, einen Schrei zu unterdrücken. Ihr Körper reagierte mit der biologischen Programmierung, die so alt wie ihre DNS war.
»Die Nabelschnur erdrosselt das Baby!«
Nein, bitte nicht! Jessica hielt die Augen geschlossen und richtete ihre Konzentration nach innen. Sie strengte sich an, ihr kostbares Kind in die Sicherheit zu geleiten. Letos Sohn musste leben. Aber sie konnte die Bewegungen ihrer Muskeln nicht mehr koordinieren. Sie spürte keine Veränderung mehr. Sie nahm nur noch eine tiefe, überwältigende Finsternis wahr.
Sie spürte, wie die sanfte Hand einer Medizinschwester in sie hineingriff und versuchte, das Baby zu befreien. Sie kämpfte um die Herrschaft über ihren Körper, drang mit ihrem Geist in jede einzelne Zelle ein. Wieder hatte Jessica das seltsame Gefühl, dass das winzige Kind ihr Widerstand leistete, dass es nicht geboren werden wollte.
Zumindest nicht hier in Gegenwart dieser gefährlichen Frauen.
Jessica kam sich klein und schwach vor. Die Liebe, die sie mit ihrem Herzog und ihrem gemeinsamen Sohn teilen wollte, wirkte so unbedeutend im Vergleich zum grenzenlosen Universum und allem, was es enthielt. Der Kwisatz Haderach. Würde er in der Lage sein, alles zu sehen – auch das, was vor seiner Geburt gewesen war?
Ist mein Kind der Erwartete?
»Jetzt wieder pressen! Pressen!«
Jessica tat es, und diesmal spürte sie eine Veränderung, ein müheloses Fließen. Sie verkrampfte ihren ganzen Körper, strengte sich an, so lange sie konnte. Dann presste sie erneut. Und noch einmal. Die Schmerzen ließen nach, aber nun wurde ihr wieder bewusst, in welcher Gefahr sie schwebte.
Das Baby kam heraus. Sie spürte, wie der Junge sie verließ, wie Hände nach ihm griffen, ihn fortnahmen ... und dann schwanden einen Moment lang ihre Kräfte. Ich muss mich schnell erholen. Muss ihn beschützen. Nach drei tiefen Atemzügen gelang es Jessica, genügend Kraft zu sammeln, um sich aufzusetzen. Trotzdem fühlte sie sich geschwächt, unendlich erschöpft und geschunden.
Die Frauen versammelten sich am Fußende ihres Bettes und sagten kein Wort. Sie bewegten sich kaum. Im sonnenbeschienenen Raum war es totenstill geworden, als hätte sie eine missgebildete Monstrosität auf die Welt gebracht.
»Mein Baby«, sagte Jessica und brach das bedrohliche Schweigen. »Wo ist mein Baby?«
»Wie kann das sein?« Aniruls Stimme klang schrill und hysterisch. Dann stieß sie einen klagenden Schrei aus. »Nein!«
»Was hast du getan?«, fragte Mohiam. »Jessica – was hast du getan? « Die Ehrwürdige Mutter zeigte nicht den Zorn, vor dem sich Jessica so sehr gefürchtet hatte. Ihre Miene drückte Niedergeschlagenheit und tiefste Enttäuschung aus.
Wieder bemühte sich Jessica, endlich einen Blick auf ihr Kind werfen zu können, und
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