Dune Legenden 02 - Der Kreuzzug
und allen Feinden, die er bekämpft hatte, fürchtete Xavier Harkonnen diese Nervenprobe am meisten. Doch nun, da er nach Salusa Secundus zurückgekehrt war, konnte er sich nicht vor der Verpflichtung drücken.
Pflichtgefühl, Ehre und Verantwortung waren seit seiner militärischen Ausbildung in der Salusanischen Miliz die Grundlagen seines Charakters gewesen.
Sobald die Djihad-Flotte zur Hauptstadt der Liga zurückgekehrt war, bestieg er einen weißen Salusanischen Hengst und ritt den Weg zum Anwesen der Tantors entlang, dem alten edlen Gut, wo er seine Kindheit verbracht hatte. Er hatte nicht geschlafen, aber diesen Auftrag konnte er nicht aufschieben.
Im Verlauf der Jahre war das große Haus größtenteils stillgelegt worden. Der alte Emil Tantor und seine Frau Lucille hatten den verwaisten sechsjährigen Xavier aufgenommen, ihn als ihren Pflegesohn aufgezogen und ihn dann adoptiert. Später hatte das freundliche Paar unerwartet einen eigenen Sohn bekommen.
Vergyl.
Schließlich hatte Xavier Octa geheiratet und war auf den Besitz der Butlers gezogen, dann war Vergyl losgezogen, um sich dem Djihad anzuschließen. Vor sechs Jahren war Lucille bei einem Fluggleiterabsturz ums Leben gekommen und hatte den alten Mann allein zurückgelassen. In den folgenden Jahren hatte Emil sich ein zufriedenes Leben eingerichtet. Er wohnte in einem der kleineren Außengebäude, wo sich ein paar treue Diener um ihn kümmerten.
Eines Tages hätte das Anwesen der Tantors Vergyls Erbe sein sollen. Nun würde es das Heim der Witwe des jungen Mannes und seiner Kinder werden ...
Xavier stieg ab und band den Hengst an einen verzierten Pfosten vor dem Hauptgebäude. Dann machte er sich mit schwerem Herzen und flauem Magen daran, den Mann zu suchen, den er Vater nannte. Die schrecklichen Neuigkeiten, die er brachte, würden den alten Mann wahrscheinlich zerstören, aber es wäre auch nicht gut, sie ihm vorzuenthalten. Xavier hoffte nur, dass er schnell genug gekommen war, dass noch keine Gerüchte bis zu Emils abgeschiedenem Heim vorgedrungen waren.
Hilfreiche Diener, beeindruckt von der makellosen grünroten Djihad-Uniform, führten ihn zu Emil Tantor, der in einer Gartenlaube saß, umgeben von Futterstellen für Kolibris. Goldene Geschöpfe umschwirrten den süßen Nektar, ihre Flügel ein huschender Schatten in der Luft. Sie leisteten dem alten Mann Gesellschaft, während er in einem in Leder gebundenen Sagen- und Geschichtsbuch las.
»Ich erinnere mich, wie du mir daraus vorgelesen hast – und Vergyl«, sagte Xavier.
Emil sah ihn lächelnd an. Seine Lippen teilten sich und entblößten leuchtende Zähne. Das Haar des älteren Tantor war wie die bleiche Rauchwolke eines Feuers aus grünem Holz. Seine Haut war dunkel und von tiefen Altersfalten zerfurcht, doch seine braunen Augen waren strahlend, nicht von Erschöpfung verwässert. Er legte das Buch zur Seite und sprang auf, ein wenig unsicherer, als er erwartet hatte. »Xavier, mein Junge! Eine wunderbare Überraschung. Was führt dich ...?«
Dann schien er zu verstehen. Der alte Mann spürte etwas in Xaviers Widerstreben, im schreienden Leid, das er kaum in sich bändigen konnte. Nun nahm Emil die offizielle Uniform wahr, Xaviers steife Haltung und das Zögern in seinen Augen. »Nein!«, sagte er. »Nicht mein Sohn!«
Xavier antwortete benommen, als würde er einen Bericht vorlesen, den er selbst nicht glauben konnte. »Wir haben die Denkmaschinen in der Schlacht um IV Anbus besiegt. Wir haben diese Welt davor gerettet, unter die Herrschaft von Omnius zu fallen, und verhinderten die Errichtung einer neuen Basis für den Angriff auf das Territorium der Liga.« Sein Atem stockte. »Doch dann, als wir dachten, dass alles vorbei und unser Sieg gesichert sei, griff eine Gruppe von Cymeks an. Sie verursachten großen Schaden und viele Tote. Sie zerstörten Ballistas und Javelins.« Er schluckte. »Und sie nahmen Vergyl gefangen.«
»Gefangen?« Emil Tantor reckte den Kopf. Er klammerte sich an einen dünnen Faden. »Gibt es Hoffnung, dass er noch am Leben sein könnte? Sag mir die Wahrheit, Xavier.«
Xavier wandte den Blick ab. »Wir Menschen leben von der Hoffnung. Das unterscheidet uns von den Denkmaschinen.« Doch in Wirklichkeit hatte er die Roboter und Cymeks so viele Jahre lang bekämpft, dass er ihre Präzision und Bösartigkeit kannte. In seinem Herzen hegte Xavier keine Hoffnung mehr, dass sein Adoptivbruder noch gerettet werden konnte. Selbst wenn er entführt worden war,
Weitere Kostenlose Bücher