Dungirri 01 - Schwarze Dornen
Mädchen finden, bevor es zu spät ist.«
Sie biss sich auf die Lippe und fuhr mit der Hand zu ihrem Haar, bekam aber nur das Tuch zwischen die Finger. Zornig riss sie es sich vom Kopf, und eine dichte, braune Lockenmähne fiel auf ihre Schultern. Das von der Haarpracht umspielte, fein geschnittene Gesicht wirkte jung und verletzlich; der trauernde schmerzerfüllte Blick jedoch hatte rein gar nichts Jugendliches.
»Wir haben vor einem Jahr versagt. Jess musste sterben. Dan Chalmers musste sterben.« Verbitterung hallte in ihren Worte. »Egal, ob er schuldig oder unschuldig war, wir haben versagt. Wollen Sie wirklich, dass ich mit Ihnen zusammenarbeite?«
War dies das Bild, das sie von sich hatte - eine Versagerin? Teufel, nach allem, was er gehört hatte, hatte sie keinerlei Veranlassung, sich in irgendeiner Weise schuldig zu fühlen. Sie war es gewesen, die unverdrossen nach weiteren
Beweisen gesucht hatte, als praktisch jedermann sonst sich auf Dan Chalmers eingeschossen hatte. Sie war es gewesen, die sich schützend zwischen ihn und die Vorwürfe der wütenden Einwohner gestellt hatte. Und als man ihr, nachdem sie einigermaßen wiederhergestellt war, mitgeteilt hatte, die Ermittlungen wären angesichts von Chalmers Ableben eingestellt worden, war sie es gewesen, die vom Krankenhausbett aus die Wiederaufnahme der Untersuchung verlangt hatte.
»Barrington hat eine sehr hohe Meinung von Ihnen, er sagt, Sie wären die Beste im ganzen Team. Ich verlasse mich auf sein Urteil.« Und auf mein eigenes, dachte er. Er kannte das Hätte und Wäre, das eine gescheiterte Ermittlung unvermeidlich nach sich zog, nur allzu gut. Ganz gleich, was einem der Verstand auch sagte, die Zweifel kehrten immer wieder zurück … und die Selbstvorwürfe. Je gewissenhafter der Cop, desto härter war es für ihn. Und Isabelle O’Connell hatte es offenbar verdammt schwergenommen.
Unvermittelt setzte sie sich in Bewegung und schleuderte ihm die Mistgabel hin, als sie an ihm vorbei zum Haus marschierte. »Räumen Sie die in den Schuppen, und sperren Sie den Garten ab, ich pack inzwischen ein paar Sachen ein.«
Erst als Alec aufatmete, wurde ihm bewusst, dass er bis jetzt die Luft angehalten hatte. Sie kam mit. Sollte es sich als katastrophaler Irrtum erweisen, sie an Bord geholt zu haben, dann würde er sich darum später kümmern. Denn es hatten bereits zwei kleine Mädchen sterben müssen, und er war felsenfest entschlossen, es diesmal nicht so weit kommen zu lassen. Versagen stand nicht zur Debatte.
Er zog seine eigenen Fähigkeiten keine Sekunde in Zweifel, aber angesichts eines derartigen Verbrechens - womöglich das Werk eines Serienmörders - brauchte er das beste verfügbare Team, und O’Connell war, nach allem, was man hörte, wirklich verdammt gut gewesen. Scharfer Verstand und eine schnelle Auffassungsgabe, außerdem kompromisslos bei der Sache. Er hoffte nur inständig, dass sich daran nichts geändert hatte.
Barrington zufolge hatte sie sich in den letzten Monaten abgeschottet und jeden menschlichen Kontakt gemieden. Körperlich war sie von ihren Verletzungen genesen, aber die Polizeibehörde hatte ihrem Antrag auf Freistellung vom Dienst bereitwillig stattgegeben, und als sie dann ihren endgültigen Austritt eingereicht hatte, war niemand wirklich überrascht gewesen.
Aber Alec hasste es, einen guten Detective zu verlieren.
Er sah sich um und versuchte, aus ihrer selbst gewählten Zuflucht etwas über die Frau zu erfahren.
Seine eigenen Ambitionen in Sachen Gartenarbeit erschöpften sich im Meucheln von Topfpflanzen in seiner Wohnung, doch selbst für seinen ungeschulten Blick war dieser Garten etwas Besonderes. Von einem hohen Drahtzaun abgeschirmt wuchs hier eine Fülle von Gemüse, Beeren und Obstbäumen, kraftstrotzend und ertragreich, eine grüne Oase inmitten des ausgedörrten Buschlands.
Anfangs irritierte ihn der Zaun. Warum brauchte sie diese Schutzmaßnahme im Garten, wenn das Haus nicht ebenso gesichert war? Doch dann sah er ein Känguru, das auf der anderen Seite des Zauns graste, und ihm wurde klar, dass er nicht der Sicherheit der Hausherrin diente, sondern die Pflanzen vor dem Appetit der Wildtiere schützen sollte.
Der Fehler war ihm peinlich. Er war in Sydney geboren und aufgewachsen, und die Kluft zwischen Stadt und Land schien ihm heute tiefer denn je. Noch ein Grund mehr, O’Connell an Bord zu haben. Dungirri lag im äußersten nordwestlichen Zipfel des Bundesstaats, am Rande des Outbacks, und
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