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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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verscheuchte den Gedanken, versuchte sich aufzusetzen und stellte ohne sonderliche Überraschung fest, daß er es nicht konnte.
    Seine linke Hand war nicht nur bandagiert wie die einer Mumie, sondern auch zusätzlich mit einem Lederband an das Bettgestell gefesselt, wahrscheinlich, damit er sich nicht im Schlaf bewegte und sich selbst verletzte. Außerdem verspürte er noch immer einen Druck auf der Brust, als wäre sie mit Stahlbändern umwickelt. Jan fummelte das Band von seinem linken Handgelenk, versuchte sich ein zweitesmal hochzustemmen und schaffte es diesmal in eine wenigstens halbwegs sitzende, halb auf den Ellbogen gestützte Haltung – was nicht nur einen Chor erzürnter Pieps- und Pfeiflaute der Überwachungsmonitore und Computer an der Wand hinter seinem Bett zur Folge hatte, sondern auch einen heftigen, pochenden Schmerz in seiner linken Hand.
    Jan verzog das Gesicht, richtete sich noch weiter auf und schlug die Bettdecke zurück. Ungeschickt zog er den Halsausschnitt seines Nachthemdes auf und linste darunter. Wo seine nicht allzu muskulöse, aber kräftig behaarte Brust sein sollte, befand sich ein breiter, strahlend weißer Verband, der irgendwie nicht so aussah, als bedeckte er eine Wunde.
    »Sie haben zwei angebrochene Rippen«, sagte eine Stimme von der Tür her. »Das kommt von der Herzmassage. Der junge Mann im Kino war vielleicht ein bißchen übereifrig. Eigentlich müßte es ziemlich weh tun.«
    Dr. Mertens schloß die Tür hinter sich und machte gleich darauf einen hastigen Schritt, als sie praktisch im gleichen Augenblick wieder aufgerissen wurde und Katrin hereinstürmte.»Das geht jetzt aber wirklich –«, begann er, kam aber nicht dazu, den Satz zu Ende zu bringen.
    »Mein Verlobter hat keine Geheimnisse vor mir«, unterbrach ihn Katrin. Sie warf Jan einen Blick zu, der besagte: Wage es bloß nicht, etwas anderes zu sagen! , und fragte: »Nicht wahr?«
    »Bis jetzt nicht«, sagte Jan. »Oder?«
    Die Frage galt dem Arzt, der sie nicht sofort beantwortete, sondern Katrin musterte, als überlege er, ob es der Mühe wert war, sie hinauszuwerfen oder nicht. Dann zuckte er mit den Achseln und kam wortlos näher. Jan vermochte nicht zu sagen, welche der beiden Fragen der Arzt mit diesem Schulterzucken beantwortete.
    »Was tun Sie überhaupt hier?« fragte Jan. »Ich dachte, Sie gehören zu meinem Traum.«
    »Hübsch, so etwas mal zu hören«, sagte Mertens belustigt. »Aus dem Munde Ihrer Verlobten wäre es mir allerdings noch lieber gewesen. Die meisten Leute bezeichnen mich eher als ihren Alptraum, wissen Sie?« Er zog sich den Stuhl heran, auf dem Katrin gesessen hatte, ließ sich ächzend darauf nieder und maß Jan mit einem Blick, der Jan – ohne daß er selbst sagen konnte, warum – dazu brachte, sich etwas entspannter zurücksinken zu lassen.
    »Um Ihre Frage zu beantworten«, fuhr er fort. »Ich bin zufällig der Oberarzt dieser Abteilung. Auch Ärzte gehen manchmal ins Kino, wissen Sie?« Er grinste. »Außerdem bekomme ich eine fette Prämie für jeden Patienten, den ich herbringe. Also habe ich mir eine Dauerkarte fürs ›Cinedom‹ besorgt – nur für die Horrorfilme – und warte jetzt an jedem Samstagabend auf Männer, die einen Herzanfall bekommen, weil sie die Spannung nicht ertragen. Wie geht es Ihnen?«
    Er lächelte weiter, aber die letzte Frage hatte er in vollkommen ernstem Ton gestellt, und auch sein Blick war jetzt forschend. Jan zog es vor, nicht zu gründlich über diesen Blicknachzudenken. Er wollte sich nicht eingestehen müssen, daß er vielleicht doch Grund hatte, sich Sorgen zu machen. Was hatte Mertens gesagt? Herzanfall?
    »Ich hatte gehofft, daß Sie mir das sagen würden«, sagte er. Katrin nahm schräg hinter Mertens Aufstellung und maß abwechselnd ihn und den Arzt mit strafenden Blicken.
    »Wenn Sie mich fragen, was gestern abend mit Ihnen los war, muß ich Sie enttäuschen«, antwortete Mertens. »Ich weiß es nicht. Nicht genau. Sie hatten einen Herzstillstand. Aber ich kann Ihnen nicht sagen, warum.«
    »Herzstillstand?« Jan sah den Arzt ungläubig an.
    »Sieht so aus«, bestätigte Mertens bekümmert. »Wenn Sie hier herauskommen, sollten Sie sich bei dem jungen Mann im Kino bedanken. Er hat Ihnen das Leben gerettet.«
    »Er hat mir zwei Rippen gebrochen«, sagte Jan.
    »Wenn er es nicht getan hätte, wären Sie jetzt tot«, sagte Mertens. Er lächelte immer noch dabei, aber in seinen Worten lag, trotz des freundschaftlichen Tons ein Ernst, der

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