Dunkel ist die Sonne
Eier an Lederschnüren darin.
Deyv rief: „Das ist ja meines!“
Vana schrie auf.
„Nicht die Originale natürlich“, sagte die Shemibob. „Sloosh überredete mich, die elektrischen Impulse von eurer Haut und die Wellen eures Gehirns aufzuzeichnen, während ihr schlieft. Die von Hoozisst auch. Damit war es verhältnismäßig einfach, die Eier zu rekonstruieren. Aber Sloosh wollte, daß ich sie euch erst zeige, wenn offensichtlich sei, daß ihr bei eurer Entscheidung, zu euren Stämmen zurückzukehren, bleiben würdet. Hoozisst konnte seines natürlich auch nicht eher bekommen als ihr. Sloosh sagte mir gerade, daß mit euch nicht zu reden ist, so daß ich sie euch schon geben kann.
Ihr müßt bedenken, daß er nur euer Bestes wollte, wenn er sie so lange vor euch verheimlicht hat. Er hat ein gutes Herz, wenn es auch manchmal etwas anders schlägt als eures.“
Deyv und Vana waren zu glücklich, um dem Pflanzenmenschen irgendwelche Vorwürfe zu machen. Sie legten sich die Schnüre um und umfaßten die Steine mit der Hand. Deyvs Ei begann ein hellrotes Licht auszustrahlen, Vanas schimmerte grün.
„Nun“, meinte Sloosh, „könnt ihr beide sehen, ob sie zueinander passen, und ob ihr die richtigen Partner füreinander seid oder nicht.“
Deyvs Glück schwand wieder, und statt dessen überfiel ihn ein kleiner Schrecken.
„Das brauchen wir nicht mehr!“ sagte er. „Wir wissen schon, daß wir zueinander passen!“
„Ja“, stimmte Vana zu. Ihre Stimme zitterte. „Das wissen wir. Warum regen wir uns also auf?“
Die Shemibob lächelte, aber ob aus Vergnügen über das unerwartete Geschenk oder aus Spaß an der Reaktion, wußte Deyv nicht.
„Das hört sich ja so an, als ob ihr Angst vor einer Probe hättet. Was wäre denn, wenn eure Steine anzeigen würden, daß ihr nicht zueinander paßt? Würdet ihr euch dann weigern, der Stimme eures Verstandes und eures Herzens zu gehorchen?“
Sloosh meinte: „Ich fürchte allerdings, daß sie das tun würden. Trotz ihrer weiten Wanderung und trotz aller Erlebnisse haben sie nicht viel gelernt.“
„Warum konntest du damit nicht warten?“ schrie Deyv.
„Wie meinst du das?“ fragte Sloosh zurück. „Ich dachte, ihr würdet euch ärgern, weil wir euch die Eier nicht sofort gegeben haben. Aber das hier hätte ich bestimmt nicht erwartet.“
„Sie haben Angst vor der Trennung“, sagte die Shemibob. „Die Eier könnten ihnen offenbaren, daß sie keine lebenslangen Partner sein würden. Aber da ist noch eine Angst, eine, die vielleicht tiefer sitzt. Und zwar die, daß die Eier nicht unfehlbar sein könnten. Daß sie vielleicht nicht die Wahrheit sagen und daß sie und ihre Vorfahren vielleicht an eine Lüge geglaubt haben. In einem solchen Falle hätten sie und ihre Stammesbrüder und -Schwestern sich bislang zu Narren gemacht.
Natürlich könnten sie die Frage auch sofort klären, indem sie die Eier aufeinander einzustimmen versuchen. Aber sie haben Angst vor der Wahrheit. Was verständlich ist. Sie wollen einander nicht verlieren. Oder begreift dein Pflanzenhirn das nicht?“
„Es besteht zur Hälfte aus Protein“, sagte Sloosh. „Aber ich verstehe, was du sagst. Was ich vorschlagen würde – “
Vana unterbrach ihn: „Deyv, ich habe keine Lust mehr, hier herumzustehen, wo man über mich redet, als sei ich eine Figur in einer Geschichte oder jemand auf der anderen Seite des Berges. Bringen wir es endlich hinter uns.“
Deyv schluckte und sagte: „Also gut. Aber nicht hier. Ich möchte dabei Ruhe haben.“
Sie gingen in den Dschungel. Vanas Hand lag in der seinen. Sie war schweißnaß. Oder war es seine eigene? Es waren wohl beide feucht. Auch ihre Hand fühlte sich kalt an.
Er sah durch eine Lücke im Gebüsch zurück. Die Shemibob versenkte ihre Hand noch einmal in dem Beutel. Sie reichte dem Pflanzenmenschen etwas – sein Prisma! Natürlich! Wenn sie für sie die Eier gemacht hatte, mußte sie auch ein Kristall für Sloosh gemacht haben. Aber sie hatte es ihm erst geben können, als die Menschen die Eier bekommen hatten.
Jum und Aejip kamen durch das Unterholz hinter ihnen her. Deyv befahl ihnen zurückzugehen. Sie durften während der Einstimmung so wenig wie möglich abgelenkt werden.
Sie gelangten an einen hohen Baum, hinter dem ein großer, oben abgeflachter Fels war. Sie setzten sich rittlings darauf, die Gesichter einander zugewandt. Langsam streckte jeder von ihnen die Hand mit dem Stein aus, bis sie sich berührten. Jeder hielt den
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