Dunkelkammer: Frank Wallerts erster Fall (German Edition)
zugestehen, dass er etwas barsch gewesen war. Etwas ärgerte und verunsicherte ihn zugleich. Malte und Reinhard gingen und in den Raum trat eine Erscheinung.
Frau Van Dresen war etwa einsachtzig groß und hatte beeindruckend dichtes, leicht gewelltes, schlohweißes Haar. Sie trug einen beigen Hosenanzug. Ihren Hals schmückte eine Kette, Modeschmuck wahrscheinlich. Sie blickte mit sehr dunklen, lebendigen Augen erst auf Maren, dann auf Frank und dieser konnte sie altersmäßig nicht einschätzen. Klar war sie nicht mehr jung, aber ihre Haltung und ihre Figur konnten manch Vierzigjährige vor Neid erblassen lassen. Sie reichte Frank ihre Hand und stellte sich mit einer unglaublich frischen, aber tiefen Stimme vor.
„Van Dresen mein Name. Sie sind Herr Wallert?“
„Ja“, erwiderte Frank. „Das ist meine Kollegin Frau Dieckmann. Würden Sie uns sagen, was Sie zu uns führt?“
Er deutete auf den freien Stuhl, auf dem eben noch Malte gesessen hatte. Frau Van Dresen nahm Platz und begann.
„Ich bin die Vorbesitzerin der freien Wohnung in der Langenfeldstraße 14. Eigentlich bin ich nur gekommen, weil ich noch einmal in die Wohnung musste und festgestellt habe, dass das ganze Haus versiegelt ist. Ihr Kollege hat mir schon erzählt, was passiert ist. Das tut mir natürlich leid. Ich muss aber trotzdem nochmal hinein.“
Aus freundlichen Augen blickte sie von Frank zu Maren und wieder zurück. Franks Anfall von schlechter Laune war verflogen. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
„Frau Van Dresen, wenn Ihnen mein Kollege schon erklärt hat, was passiert ist, dann wissen Sie, dass das nicht geht. Wir müssen morgen noch einmal mit der Spurensicherung in das Haus, vor allem in Ihre ehemalige Wohnung. Deshalb können wir unmöglich vorher jemanden hinein lassen, der dann womöglich unbeabsichtigt Spuren verwischt.“
„Aber morgen geht es dann?“, ließ die alte Dame nicht locker.
„Morgen geht es dann.“
„Was müssen Sie denn Wichtiges aus der Wohnung holen?“, erkundigte sich Maren.
„Ich muss noch den Stromzähler ablesen und will das Wasser abdrehen. Die Wohnung soll zwar am Wochenende schon wieder bezogen werden, aber ich bin da lieber vorsichtig.“
„Da haben Sie sicher Recht.“, bestätigte Maren. „Kannten Sie denn Frau Hülst?“
„Natürlich! Wie man seine direkte Nachbarin halt kennt. Ich finde es furchtbar, was da passiert ist.“
Frank bemerkte, dass ihr funkelnder Blick erlosch. Traurig schaute sie auf den Fußboden.
„Frau Hülst und ich duzten uns. Claudia und ich besuchten uns oft, allerdings seltener, seit sie mit Herrn Klettner zusammen war. Mir gefiel der junge Mann nicht so recht.“
„Nanu!“, warf Maren ein. „Da sind sie aber die Erste. Sonst sind alle, mit denen wir bis jetzt gesprochen haben, ganz angetan gewesen von diesem hübschen Mann.“
„Ja, das stimmt wohl.“ Jetzt kehrte das Glänzen in Frau Van Dresens Blick zurück und fast schelmisch sah sie Maren an.
„Hübsch war er. Aber mir hat er trotzdem nicht gefallen.“
„Warum nicht?“
„Ach, das ist nur ein Gefühl gewesen. Hat man ja manchmal, dass der Sympathie-Funke nicht sofort überspringt. An meinem Geburtstag waren die beiden zum Kaffeetrinken drüben bei mir. Meine Tochter und meine Enkelin waren auch da. Und obwohl Claudia direkt neben ihm saß, hat der meine Enkelin immer so angeschaut.“
Frank stutzte.
„Wie meinen Sie das?“
„Nun, ich weiß nicht, wie ich das erklären soll. Es ist eben nur so ein Gefühl. Aber der hat meine Enkelin so angesehen, wie man eine Vierzehnjährige nicht ansehen sollte.“
Frank sah Maren fragend und erstaunt an.
„Frau Van Dresen, ich danke Ihnen für das Gespräch. Sie können sicher sein, wenn wir morgen mit der Wohnung fertig sind, werden wir Sie verständigen.“
Er erhob sich, ebenso wie seine Besucherin. Maren stand zögernd ebenfalls auf.
„Sie haben Ihre Wohnung verkauft?“, fragte Maren.
„Ja, die ist mir zu groß geworden. Seit Horst - das war mein Mann - tot ist, ist sie mir einfach zu groß.“
Frank nickte. „Der Käufer ist aus Mülheim?“
„Ja, er ist Lehrer. Wenn Sie wollen, gebe ich Ihnen seine Telefonnummer. Er wohnt auf der Sandstraße.“
„Das wäre nett.“
Frank schob ihr einen Zettel und einen Bleistift zu und sie notierte Adresse und Telefonnummer, die sie offensichtlich im Kopf hatte.
Gott, lass mich so fit sein, wenn ich alt bin
, dachte er.
Maren, Frank und Frau Van Dresen verabschiedeten sich. Als
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