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Dunkelkammer: Frank Wallerts erster Fall (German Edition)

Dunkelkammer: Frank Wallerts erster Fall (German Edition)

Titel: Dunkelkammer: Frank Wallerts erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Jahn-Nottebohm
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erwachte so gegen drei. Ihm war kalt und er merkte, dass Ina wieder die ganze Decke in Beschlag genommen hatte. Sanft küsste er sie in den Nacken und stand auf. Er nahm einen frischen Slip aus dem Schrank, streifte ihn über und zog auch seinen Morgenmantel an, der am Kleiderschrank hing. Plötzlich waren seine Gedanken wieder beim vorangegangenen Tag. Er ging in die Küche, schaltete das Licht ein, öffnete den Kühlschrank und entnahm ihm eine Flasche KöPi. Er setzte sich an den Küchentisch und trank einen Schluck.
    Was, zum Teufel, hatte Frau Van Dresen gemeint mit ihrer Bemerkung über Jörg Klettner? Vierzehnjährige können durchaus ein netter Anblick sein. Wie darf man vierzehnjährige Mädchen ansehen? Offenbar vermutete Frau Van Dresen etwas hinter dieser Art des „Ansehens“, wie es Jörg Klettner ihrer Enkelin gegenüber getan hatte. Immerhin schien es ihr wichtig gewesen zu sein, noch zu bemerken, dass Claudia direkt daneben gesessen hatte.
    Ina kam in die Küche. Auch sie hatte sich ihren Morgenmantel angezogen und blinzelte ihm verschlafen entgegen.
    „Was fällt dir ein, mich einfach im Bett erfrieren zu lassen?“, murrte sie.
    Sie kam auf den Küchentisch zu, nahm die Bierflasche und gönnte sich auch einen Schluck. Dann setzte sie sich Frank gegenüber an den Tisch und schaute ihn aus erstaunlich wachen Augen an.
    „Wie darf man eine Vierzehnjährige ansehen?“, fragte er unvermittelt.
    „Wie meinst du das?“
    „Wie ich es gesagt habe: Wie darf man eine Vierzehnjährige ansehen? Eine Zeugin sagte mir heute, dass jemand ihre Enkelin beim Geburtstags-Kaffeetrinken angesehen habe, wie man eine Vierzehnjährige nicht ansieht.“
    „Also, Frank, so naiv kannst du doch nicht sein. Ich betreue zur Zeit eine Zwölfjährige. Das Mädchen sieht aus wie sechzehn. Seit dem letzten Jahr geht das Mädchen durch die Hölle. Ihr Vater hatte plötzlich angefangen, beim Gutenacht-Kuss seine Zunge einzusetzen. Dann hat er sie ab und zu, aus Versehen und unbeabsichtigt, berührt: Mal an den Brüsten, dann am Po. Eines Nachts wurde sie wach und merkte, dass ihr Nachthemd nach oben geschoben war. Ihr Vater stand vor ihrem Bett und holte sich einen runter.“
    „So ein Schwein!“, entfuhr es Frank verächtlich.
    „Ja, aber dieses Schwein ist ihr Vater, den sie liebt. Und ich sage dir: Wenn du das Mädchen sehen würdest, sie ist nett und süß. Ich glaube, sowas würde man landläufig als ‚Lolita’ bezeichnen. Sie ist zwölf, aber ich wette, dass jeder Mann sie ansieht, wie ‚
Mann’
eine Zwölfjährige nicht ansehen sollte.“
    Er trank noch einen Schluck aus der Bierflasche.
    „Lass uns wieder schlafen gehen.“, sagte er und stand auf. Die leere Flasche stellte er in den Korb neben dem Kühlschrank.
    Als er vor dem Einschlafen zum letzten Mal auf den Wecker schaute, war es Viertel nach vier.

Freitag 5. April 2002
    Irgendetwas störte ihn. Er wälzte sich auf die rechte Seite. Da war es wieder. Ein durchdringendes Geräusch. Wie durch einen Nebel hindurch erkannte er das Läuten des Telefons. Jetzt war er schlagartig wach und schaute automatisch auf den Wecker. Es war fünf. Er warf die Decke von sich und sprang auf. Das Telefon stand im Flur, jedenfalls die Basisstation. Vom Handgerät fehlte mal wieder jede Spur. Letztlich spürte er es in der Küche auf.
    „Frank Wallert“, meldete er sich.
    „Herr Wallert, hier ist Frings von der Wache.“
    „Herr Frings, was gibt’s?“
    „Ich dachte mir, ich sollte Sie anrufen. Die Langenfeldstraße 14 brennt.“
    „Was?“, entfuhr es Frank.
    „Ja, Sie hatten doch gestern dort einen Einsatz wegen der Morde. Und da dachte ich …“
    „Da haben Sie richtig gedacht.“, unterbrach Frank ihn. „Sagen Sie den Kollegen, ich komme.“
    Er schaltete das Gerät aus und steckte es auf die Station. Innerhalb weniger Augenblicke war er angezogen. Er warf schnell einen Pfefferminzbonbon ein. Ina hatte nichts von alledem mitbekommen.
    Um Viertel nach fünf stieg er ins Auto und fuhr in die Langenfeldstraße. Als er in die Straße einbog, musste er sofort halten. Feuerwehrwagen versperrten die Weiterfahrt. Die morgendliche Dunkelheit war zerrissen von zuckenden Blaulichtern und Flammenschein. Er nahm Dutzende von verschlafenen und in Morgenmäntel gehüllte Anwohner wahr. Aus dem Haus, in dem Claudia Hülst und Jörg Klettner gestorben waren, schlugen Flammen. Das Dach war nicht mehr da. Rufe von Feuerwehrleuten schallten durch die Gegend und ein unfassbarer

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