Dunkelkammer: Frank Wallerts erster Fall (German Edition)
kann kaum noch mit ihr arbeiten. Manchmal setzt sie einfach aus und bleibt hängen und dann geht sie wieder und macht Sachen, die man gar nicht will!“
Frank lief an ihr vorbei, ging in die Hocke, öffnete die unterste Schublade des Schreibtisches und holte eine nagelneue Maus mit Mauspad heraus. Er stöpselte das alte Gerät aus und führte den Stecker der neuen USB-Maus in die Buchse am Monitor. Er warf die alte Maus in einen Karton mit Computermüll neben dem Schreibtisch und drehte sich lächelnd zu Ina um. Er wollte sie gerade in den Arm nehmen, um sie zu begrüßen, als er ihre wütend und streitlustig blitzenden Augen sah.
„Lass mich in Ruhe!“, fuhr sie ihn an. „Ich habe einen Scheißtag hinter mir!“
Er merkte, wie er langsam sauer wurde.
„Ich kann damit ja wohl kaum was zu tun haben!“
Ab und zu hatte er schon erleben müssen, dass Ina „Schlechte-Laune-Anfälle“ bekam, die sie versuchte, schonungslos an ihm abzureagieren. Beim letzten Mal – das war so etwa zwei Monate her – war er drauf und dran gewesen, sich für ein paar Tage zurückzuziehen und ein Hotelzimmer zu nehmen. Ein Gespräch in letzter Minute verhinderte dies dann und sie konnten sich über das, was Ina quergesessen hatte, unterhalten.
„Entschuldige“, lenkte Ina ein und drückte ihm einen Kuss auf den Mund, ließ es aber nicht zu, dass er sie umarmte.
„Was ist los?“, fragte er und breitete die Arme in einer Geste der Ratlosigkeit aus.
Ina begann zu weinen. Es war ihr „Wut-Weinen“, das gleichermaßen berühmt wie gefährlich war. In dieser Situation war es durchaus möglich, dass sie versuchte, ihm eine zu knallen, wenn er etwas sagte, was nach ihrer Meinung falsch war.
„Trinken wir einen Wein?“
Er registrierte erleichtert, wie sie ein Taschentuch aus dem Bademantel zog, sich schneuzte und nickte. In der Küche suchte er einen Rosé aus dem Weinregal und entkorkte die Flasche. Er holte zwei Gläser aus dem Gläserschrank und ging – die Flasche in der einen, die beiden Gläser in der anderen Hand – hinüber ins Wohnzimmer. Ina saß bereits auf dem Sofa, hatte die Beine untergeschlagen und stierte aus geröteten Augen vor sich hin, wobei sie das zu einem kleinen Knubbel zusammengepresste Taschentuch knetete. Frank setzte sich jetzt nicht neben sie, sondern ihr gegenüber in den Sessel. Er schenkte ein. Kaum hatte er die Flasche abgestellt, als Ina sich ein Glas griff und es in sich hinein schüttete. Sie nahm die Flasche und goss sich nach. Erst jetzt schaute sie ihn an, aber in ihrem Blick war etwas Provozierendes.
„Was ist los?“, fragte er zaghaft und hatte dabei ganz bewusst die sanfteste Stimme aktiviert, die er in seinem Repertoire hatte.
„Was ist los …“, äffte sie ihn nach. „Was soll los sein!? Mir geht das Getue dieser Leute sowas von auf den Geist. Ich frage mich, warum ich mir das überhaupt noch alles antue. Das musst du dir mal vorstellen. Da ruft mich im Amt so ein kleiner Lehrer an, der sich Sorgen um eine Schülerin macht, weil er sich ja sooo toll um sie kümmert. Heute besuche ich ihn in der Schule, um mit ihm zu reden, und da textet der mich zu und macht mit Vorwürfe.“
Ina redete sich wieder in Rage und verlor dabei regelmäßig den Boden unter den Füßen. Frank schaute sie sorgenvoll an und gab ihr mit der Hand ein Zeichen, was soviel heißen sollte wie „Mach mal langsam“.
Sie beendete tatsächlich ihren Redeschwall und schaute ihn ihrerseits provozierend an.
„Ina, warum geht das so wieder los? Du weißt, dass das zu nichts führt. Wenn du so redest, kannst du nicht wirklich wollen, dass ich verstehe, was mit dir los ist. Geht es auch etwas sachlicher?“
Ina schien wieder Bodenkontakt zu bekommen, denn ihr Gesichtsausdruck änderte sich. Er wusste aber, dass das in der nächsten Minute schon wieder wechseln konnte.
„Okay!“ Sie atmete tief durch und schaute ihn jetzt offen an. „Der Typ ist vielleicht dreißig. Er hat ein Mädchen in der Klasse, das ihm Sorgen macht. Er meint, die Eltern kümmern sich nicht genug um die Kleine, und glaubt jetzt, dass sich das Jugendamt um sie kümmern muss. Das nervt, das kannst du dir gar nicht vorstellen.“
Sie nahm einen kleinen Schluck von ihrem Wein.
„Gut“, sagte er. „Das habe ich jetzt verstanden. Und was regt dich daran so auf?“
„Was mich daran so aufregt?“
Inas Stimme war gefährlich leise.
„Ich habe ihm das schon erklärt. Muss ich dir das auch noch erklären? Soll ich dem Mädchen
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