Dunkelkammer: Frank Wallerts erster Fall (German Edition)
wie wir uns fetzen!“
„Wenn ihr euch streitet, geht es doch immer um das Gleiche!“
„Eigentlich nicht“, antwortete Frank, zögerte aber. „Das heißt, wenn wir uns
richtig
streiten, dann eigentlich immer darüber.“
Malte nickte. „Das ist der Punkt!“
Frank zuckte mit den Schultern, antwortete aber nicht. Malte fuhr nach kurzem Zögern fort.
„Wenn sie so aus der Haut fährt, wenn ein Lehrer sie kritisiert oder ihr etwas sagt, was sie nicht hören will, weist das doch daraufhin, dass sie außer Wut nicht viel entgegenzusetzen hat. Vielleicht hat der Lehrer den Nagel auf den Kopf und sie an ihrer wundesten Stelle getroffen.“
„Das stimmt schon. Wenn wir uns über ihre Kids unterhalten, die sie zu betreuen hat, habe ich oft den Eindruck, dass sie mit ihnen zu ‚amtlich’ umgeht. Ich sage ihr dann schon mal, dass diese Kinder Hilfe brauchen. Ich halte es für widersinnig, dass ein
Amt
das übernehmen soll. Immer beginnt sie dann, erst sich zu rechtfertigen, dann wird sie wütend.“
„Frank! Überleg doch mal, wie du mit deinem Beruf umgehst! Du wirkst auf sie souverän. Du hast eine bewaffnete Streitmacht und absolut klare Gesetze hinter dir, um dem Recht Geltung zu verschaffen. Ina kann immer nur darauf hoffen, dass irgendwelche Eltern plötzlich was verstehen, was sie nie verstanden haben, weil sie entweder zu blöd oder zu bequem oder sonstwas sind!“
Frank wurde nachdenklich, aber er wusste, dass Malte Recht hatte mit seiner Einschätzung. Es war klar, dass Ina dann mit ihrer Unsicherheit nicht bei ihm landen konnte.
„Wahrscheinlich hast du Recht!“, sagte er. „Ich kann halt nicht immer auf sie eingehen, wenn sie so ist. Für mich und meinen Stress ist in solchen Momenten dann kein Platz, und das macht mich auch sauer!“
„Dann müsst ihr das eben lernen! Gebt euch Mühe!“
Beim Blick durch die Scheiben der Kneipe sah Frank plötzlich, dass es heftig dicke Flocken schneite. Er würde bei Malte und Bea schlafen.
Dienstag 9. April 2002
Steffi ließ die Mathestunde über sich ergehen. Am Anfang hatte sie noch versucht, den Worten von Herrn Hellenbusch zu folgen, es aber bald aufgegeben. Das war für sie einfach eine Fremdsprache und ihre Mathe-Noten bestätigten ihr Halbjahr für Halbjahr, dass Mathematik nicht ihr Fach war. Heimlich holte sie die drei Fotos aus ihrer Schultasche, die Robert ihr am Freitag als „Belohnung für ihre gute Arbeit“ geschenkt hatte. Unter dem Schülertisch fächerte sie mit beiden Händen die Bilder auseinander, holte das ihrer Meinung nach schönste nach vorne und schob die Bilder wieder zusammen, so dass das Ausgewählte oben lag. Das Foto war wirklich gut. Steffie sah sich an der Spüle in Roberts Küche stehen. Sie hatte das linke Bein durchgedrückt, das rechte angewinkelt leicht nach vorne gestellt. Mit der rechten Hand hielt sie das Colaglas an ihre Lippen, die leicht geöffnet waren. Gleichzeitig blickte sie mit einem verführerischen Augenaufschlag in die Kamera. „Gute Arbeit“, hatte Robert gesagt und „Wieso Model
werden
? – Du
bist
doch schon eins.“
„Steffie …!“, hörte sie Herrn Hellenbusch rufen.
Blitzschnell ließ sie die Fotos in ihre Schultasche fallen und schaute dem Lehrer entgegen, der jetzt auf sie zukam.
„Gib mit bitte das, was so wichtig war, dass du es der edlen Wissenschaft der Mathematik vorgezogen hast!“, forderte er sie mit ausgestreckter Hand auf, als er vor ihr stand.
„Da war nichts“, log sie. „Ich habe mir nur meine Fingernägel angesehen.“
Sie hob die Hände und streckte sie ihrem Mathematiklehrer mit gespreizten Fingern, deren Nägel glitzernd-blau lackiert waren, entgegen. Der Gong rettete sie. Die Stunde war zu Ende. Seine Schülerin mit einem zweifelnden Blick bedenkend drehte Herr Hellenbusch sich um und wandte sich seinen Unterlagen zu, die auf dem Pult lagen und die er jetzt in seiner Tasche verstaute.
Steffi erhob sich. Sie holte ihre Geldbörse aus der Tasche und griff dabei auch die Fotos. Sie verließ den Klassenraum, denn es war große Pause.
In der Cafeteria traf sie auf Sabrina und Trixi, die das Schlangestehen schon hinter sich hatten und am ersten Tisch neben dem Ausgabetresen saßen. Heftig winkten sie ihr zu. Sie ging zu ihnen, grüßte beide – wie üblich mit einem Kuss auf die Wange - und sagte:
„Ich hole mir eben was. Bin gleich wieder hier.“
Damit auch bei der Ausgabe alle schön in einer Reihe standen, war die Schulleitung auf die grandiose Idee
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