Dunkelkammer: Frank Wallerts erster Fall (German Edition)
gefallen, ihr zu kündigen.“
Malte stutzte. „Ich denke, Frau Hülst hat gekündigt.“
„Das stimmt“, bestätigte Frau Kemmling. „Aber wenn sie es nicht getan hätte, hätte ich ihr spätestens ein halbes Jahr später den Stuhl vor die Tür gesetzt.“
„Warum?“, bohrte Malte nach.
„Das ist doch wohl nicht relevant, oder?“
„Das kann ich Ihnen sagen, wenn Sie geantwortet haben.“, lächelte Malte sie an.
„Na gut. Also das hatte mehrere Gründe. Erstens war uns die Beziehung zwischen Frau Hülst und Herrn Klettner ein Dorn im Auge. Solange Herr Klettner auch hier arbeitete, war das ja tolerabel, aber nach seinem Ausscheiden war er Konkurrenz für uns. Zweitens hat Frau Hülst vor etwa 2 Monaten eins unserer Projekte in den Sand gesetzt, nicht alleine, zwei ihrer Kolleginnen trugen Mitschuld, aber sie war die Verantwortliche für dieses Projekt. Drittens hatten wir in den letzten Wochen den Verdacht, dass sie Kunden abgeworben hat. Seit Klarheit darüber bestand, dass sie in die Firma von Herrn Klettner einsteigen würde, haben uns zwei wichtige Kunden den Rücken gekehrt.“
„Donnerwetter“, rutschte es Malte heraus. „Hier herrschen ja harte Sitten!“
Frau Kemmling nickte und bekam jetzt einen völlig natürlichen Gesichtsausdruck.
„Ja, das ist ein hartes Geschäft, in dem wir arbeiten.“
„Meinen Sie, das könnte etwas mit dem Mord an den beiden zu tun haben?“, fragte Reinhard unbedarft.
„Achwas!“, rief Frau Kemmling fast belustigt aus. „Wir sind doch hier nicht auf Sizilien. Wir sind in Mülheim an der Ruhr und wir pflegen unsere Konkurrenz mit guter Arbeit aus dem Feld zu schlagen, nicht durch Mord!“
Plötzlich hatte Malte eine Idee.
„Wie archivieren Sie eigentlich hier Ihre Arbeiten? Ich meine die Projekte?“
Frau Kemmling schaute ihn etwas verwundert an. Offensichtlich konnte sie den Gedankensprung Maltes nicht nachvollziehen.
„Das kommt darauf an. Bei den kleineren Sachen nutzen wir CDs oder auch DVDs, bei den größeren sichern wir direkt im Archiv auf unserem Server, der monatlich mit einer neuen Wechsel-Festplatte ausgestattet wird. Im Keller haben wir einen großen Stahlschrank, in dem die Platten gelagert werden.“
„Und wie heißen Ihre Projekte so?“, wollte Malte jetzt wissen, und als er den noch verständnisloseren Blick Frau Kemmlings sah, schob er lächelnd nach: „Ich meine, jedes Projekt hat doch wohl einen Namen bei Ihnen, oder?“
„Natürlich! Erst kommt der Name des Auftraggebers, dann ein Slash – also ein Schrägstrich – und dann eine Auftragsnummer, die fortlaufend, also unabhängig vom Auftraggeber ist.“
„Eine Projektbezeichnung ‚Caroline14’ kann bei Ihnen nicht vorkommen?“
Frau Kemmling war ja nun eine junge, dynamische und auch sehr kluge Frau, die ganz offensichtlich genau die Qualitäten aufwies, die sie brauchte, um in ihrem Beruf erfolgreich zu sein. Sie hatte sich den beiden Beamten freundlich, intelligent und hart in der Sache präsentiert. Jetzt aber lehnte sie sich zurück, schaute in ihre Kaffeetasse und schien sich sammeln zu müssen. Es gelang ihr schnell, aber nicht so schnell, als dass dieser kurze Moment Malte hätte verborgen bleiben können.
„Nein. Wenn Caroline die Auftraggeberin wäre, müsste diesem Namen ein Slash folgen, und da unsere Seriennummern sechsstellig sind, hieße es nach dem Slash 000014. Das habe ich Ihnen gerade erklärt.“, antwortete sie so kühl, dass Malte Angst um seinen Kaffee bekam. Er nickte, nahm einen Schluck und ließ die junge Frau nicht aus den Augen. Dann stellte er die Tasse ab, erhob sich und gab Reinhard ein Zeichen, dass er gedachte, zu gehen.
„Danke, Frau Kemmling“, sagte er, während diese sich auch erhob. Erstaunt stellte Malte fest, dass sie fast gleich groß waren. Er war immerhin einsachtzig.
„Konnte ich Ihnen denn helfen?“
„Da können Sie sicher sein!“, war Maltes Standard-Antwort auf diese Frage.
Zufrieden reichte Frau Kemmling den beiden die Hand und brachte sie zur Tür.
„Es kann sein, dass wir Sie nochmal belästigen müssen.“, sagte Reinhard.
„Aber meine Herren, es wäre mir eine Freude!“
Jetzt war sie wieder ganz die auf Präsentation getrimmte Karrierefrau. Als beide das Großraumbüro durchquerten, hatte er das Gefühl, die Blicke der Frau Kemmling bohrten sich – abgeschossen durch die Schlitze der Jalousien – in seinen Rücken.
***
Während Malte und Reinhard bei COMPUB waren, saß Frank in seinem Büro
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